Bartgeier-Comeback: Wie die Alpen wieder zur Heimat dieser majestätischen Vögel werden

Stell dir vor, du wanderst durch die Berchtesgadener Alpen, schaust in den Himmel – und da kreist ein riesiger Vogel mit fast drei Metern Flügelspannweite. Ein Bartgeier! Noch vor wenigen Jahren war das undenkbar, denn die Art war in den Alpen ausgerottet. Doch nun gibt es Grund zur Hoffnung: Ein Wiederansiedlungsprojekt bringt die Bartgeier zurück.

Warum ist das Wiederansiedlungsprojekt nötig?

Früher glaubte man, Bartgeier seien eine Bedrohung für Nutztiere, weil sie groß und imposant aussehen und häufig an Kadavern von Nutztieren gesehen wurden. Deshalb wurden sie bis Anfang des 20. Jahrhunderts systematisch gejagt, bis sie in den Alpen ausgerottet waren. Dabei jagen Bartgeier nicht. Sie fressen ausschließlich Aas, vor allem Knochen, die sie aus großer Höhe fallen lassen, um sie zu zerkleinern. Sie spielen damit eine wichtige Rolle im Ökosystem, denn sie beseitigen Kadaver und verhindern so, dass sich Krankheiten ausbreiten.

Seit den 1980er Jahren wird versucht, sie zurück in die Alpen zu bringen. Das europäische Bartgeier-Zuchtprogramm sorgt dafür, dass Geier, die in Zoos oder Auffangstationen geschlüpft sind, in ausgewählten Regionen ausgewildert werden. In den West- und Zentralalpen gibt es bereits wieder freibrütende Paare – in den Ostalpen, zu denen Berchtesgaden gehört, steckt die Wiederansiedlung noch in den Anfängen. Doch mit jedem Rückkehrer steigt die Chance, dass die Geier hier dauerhaft heimisch werden.

Eine „Geburtstagsparty“ in den Bergen

Das Wiederansiedlungsprojekt in den Berchtesgadener Alpen läuft nun seit fünf Jahren, und passenderweise feiern einige der ersten ausgewilderten Geier gewissermaßen ein Wiedersehen. Fünf von sieben Bartgeiern, die in den letzten Jahren freigelassen wurden, haben sich wieder in der Nähe des Nationalparks Berchtesgaden versammelt. Sie kreisen gemeinsam durch die Bergwelt – fast wie eine Geburtstagsfeier, denn sie alle sind in März geschlüpft.

Warum kommen die Geier zurück?

Junge Bartgeier sind echte Globetrotter: In den ersten Lebensjahren fliegen sie oft tausende Kilometer durch den Alpenraum. Auf der Suche nach Nahrung und Artgenossen erkunden sie weite Gebiete. Die in Berchtesgaden ausgesetzten Bartgeier waren bereits in der Schweiz, Italien oder Slowenien. Doch die ersten Jahre prägen sie stark. Etwa zwei Drittel der erwachsenen Vögel kehren nach ihren Wanderungen zurück in die Region, in der sie aufgewachsen sind, und siedeln sich später wieder in ihrer alten „Heimat“ an.

Der älteste Projekt-Vogel, die 2021 ausgewilderte Bavaria, ist schon länger im an der Südostgrenze des Nationalparks liegenden Salzburger Blühnbachtal sesshaft. Dort leisten ihr nun auch vier der jüngeren ausgewilderten Vögel Gesellschaft, die sich immer wieder neu in Zweier- und Dreierteams für gemeinsame Erkundungsflüge zusammentun.

Bartgeier Nepomuk fliegt durch die Lüfte über dem Nationalpark Berchtesgaden. Foto: Christian Steiger

Ein Erfolg für das deutsche Bartgeier-Projekt

Das Ziel der Wiederansiedlung ist es, dass sich langfristig eine stabile Population entwickelt. Genau das scheint jetzt zu gelingen: Die Anwesenheit der ausgewilderten Vögel lockt sogar wild geschlüpfte Bartgeier aus anderen Teilen der Alpen an. Das deutet darauf hin, dass sich die isolierten Populationen miteinander vernetzen. Das wäre ein großer Erfolg für den Schutz dieser beeindruckenden Vögel.

Während ältere Bartgeier vor allem in Horstnähe sehr aggressiv auf Artgenossen reagieren, sind junge Vögel noch deutlich sozialer und unterstützen sich gegenseitig, zum Beispiel bei der Nahrungssuche. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem zweijährigen Nepomuk, der bereits Interesse an Recka und Bavaria, zwei seiner Artgenossinnen, zeigt. Auch wenn die Geier noch zu jung zum Brüten sind, legen sie jetzt schon die Grundlagen für spätere Paare. Das Projektteam hofft, dass sich auch Paare zwischen ausgewilderten Vögeln und Wildvögeln bilden. Mit etwas Glück gibt es dann bald das erste Bartgeier-Küken in Berchtesgaden seit Hunderten von Jahren.

Bartgeier in den Alpen: ein Blick in die Zukunft

Die aktuelle Entwicklung gibt Hoffnung: Wenn sich mehr Bartgeier ansiedeln und vielleicht bald brüten, könnte sich eine stabile Population etablieren. So würden die Alpen wieder ein echtes Zuhause für die Bartgeier und diese beeindruckenden Vögel ein normaler Anblick über den Bergen. Aber auch jetzt lohnt sich der Blick in den Himmel schon. Vielleicht zieht dort gerade ein Bartgeier seine Kreise.

Das Titelbild zeigt Bartgeier Recka im Nationalpark Berchtesgaden. Foto: Christoph Diethmaier.

von | 30. März 2025 | Vogelschutz

aktualisiert:
30. März 2025

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