Die Medien sind voller sterbender oder bereits toter Kraniche. Etliche Hühner, Puten und Gänse aus der Tierhaltung mussten bereits frühzeitig getötet werden. Mehrere Bundesländer haben schon wieder Stallpflicht für Hausvögel erlassen. Das Virus breitet sich rasend schnell aus. Und ihr habt Fragen dazu. Hier meine Antworten:
Was ist die Vogelgrippe?
Die Vogelgrippe wird auch Geflügelpest oder aviäre Influenza genannt. Sie ist eine Virusinfektion, die vor allem bei Vögeln vorkommt. Wie bei unserer Grippe gibt es nicht DIE eine Vogelgrippe. Die verantwortlichen Viren treten in verschiedenen Untertypen auf. Besonders im Fokus der Öffentlichkeit stehen die Varianten mit den Bezeichnungen H5N1 und H5N8.
Wo kommt die Vogelgrippe her?
Die Vogelgrippe an sich ist kein neues Phänomen, sondern ein natürlicher Teil des Virenspektrums bei Vögeln. Neu sind hingegen die massiven, gehäuften Ausbrüche und die vielen tödlichen Verläufe. Und diese Entwicklung ist mal wieder menschgemacht.
In der Fachsprache unterscheidet man zwischen hochpathogenen und niedrigpathogenen Virusstämmen. Hochpathogene Viren führen bei vielen Vogelarten zu schweren Erkrankungen und häufig auch zum Tod. Niedrigpathogene Varianten verlaufen dagegen oft mild oder unbemerkt.
Niedrigpathogene Viren gab es in der Vogelpopulation schon – na, vielleicht nicht immer, aber doch zumindest lange. Die hochpatogenen Viren halten sich in wildlebenden Vögeln jedoch offenbar nicht dauerhaft. In eingesperrten Vögeln, die in der Massentierhaltung leben müssen, jedoch schon.
Das, was wir heute als Vogelgrippe kennen, hat seine Wurzeln in der internationalen Tierhaltung. Einige der heute in Europa auftretenden Virusvarianten stammen ursprünglich aus Geflügel-Zuchtbetrieben in Asien. Nach Mitteleuropa kamen diese Virusstämme vermutlich einerseits über Transporte von Tieren und ihren Überresten („tierische Produkte“), und auch über freilebende Vögel.
Diese haben sich an Zuchtvögelbeständen infiziert, das Virus in ihre Brutgebiete gebracht, wo sie Individuen aus anderen Regionen der Welt angesteckt haben, die das Virus dann auf ihrem Zug mit in die Wintergebiete eingeschleppt haben.
Welche Tiere sind davon betroffen?
Potenziell sind alle Tiere gefährdet. Auch Katzen, Hunde und Kühe haben sich bereits mit der Vogelgrippe angesteckt. Auch bei Nerzen und Robben wurde die Infektion nachgewiesen. Vor allem betrifft sie aber Vögel. Verschiedene Vogelarten sind jedoch unterschiedlich anfällig für das Virus.
Besonders gefährdet sind Wasservögel wie Enten, Gänse, Schwäne und Möwen. Vor einigen Jahren waren zum Beispiel Basstölpel stark betroffen, jetzt die Kraniche. Auch Hühnervögel sind gefährdet. Greifvögel und Aasfresser wie Raben- und Nebelkrähen oder Seeadler können sich ebenfalls infizieren, besonders wenn sie kranke oder verendete Tiere fressen.
Wie läuft die Ansteckung?
Das Virus wird über Körperausscheidungen wie Kot und Nasensekret übertragen. Besonders in feuchten Lebensräumen, in denen viele Wasservögel dicht beieinander leben, kann es sich leicht verbreiten. Die Erreger können im Wasser und in feuchtem Boden über längere Zeit aktiv bleiben. So können sich auch andere Vögel anstecken, wenn sie an denselben Stellen trinken oder nach Nahrung suchen. Es kann aber auch über verunreinigtes Futter übertragen werden, oder durch kontaminierte Staubpartikel, die eingeatmet werden. Bei Geflügelbeständen geschieht die Ansteckung meist über direkten Kontakt mit infizierten Wildvögeln oder über kontaminiertes Material – etwa durch Einstreu, Schuhe oder Gerätschaften, die Virusreste tragen.
Wie verläuft die Krankheit bei Vögeln?
Je nach Virusvariante kann der Verlauf der Vogelgrippe sehr unterschiedlich sein. Bei niedrigpathogenen Stämmen zeigen infizierte Vögel oft keine oder nur leichte Krankheitszeichen. Hochpathogene Varianten führen dagegen zu schweren, meist tödlichen Infektionen. Typisch sind plötzliches Schwächeln, Koordinationsstörungen, Atemprobleme, Durchfall und auffälliges Verhalten – etwa, wenn Wasservögel den Kopf schief halten oder sich apathisch treiben lassen. Viele Tiere sterben innerhalb kurzer Zeit.
Manche Individuen erkranken schwer, andere tragen das Virus ohne deutliche Symptome und können es dennoch weitergeben. Da sich die Symptome nicht eindeutig von anderen Krankheiten unterscheiden lassen, kann eine sichere Diagnose nur durch einen Labortest gestellt werden.
Sind Menschen gefährdet?
Für Menschen besteht zurzeit nur ein geringes Risiko. Die Vogelgrippe ist (noch?) keine klassische „Zoonose“, die leicht auf uns überspringt, und wird bisher auch nicht zwischen Menschen weitergegeben. Einzelne Infektionen beim Menschen sind in der Vergangenheit besonders bei dem Typ H5N1 aufgetreten, aber fast ausschließlich bei engem, wiederholtem Kontakt mit infiziertem Vögeln, besonders in der Massentierhaltung. Für Menschen, die in der Natur Vögel beobachten, ist die Gefahr, sich anzustecken, nach aktuellem Stand äußerst gering. Trotzdem gibt es Vorsichtsmaßnahmen:
Wie kann ich helfen, damit sich das Virus nicht weiterverbreitet?
Hunde anleinen
Auch wenn das Infektionsrisiko für Hunde gering ist, sollten sie in Gebieten mit vielen Vögeln grundsätzlich angeleint und auf dem Weg bleiben. Vor allem an Seen, Flussufern oder Rastplätzen von Zugvögeln kann ein freilaufender Hund schnell einen toten oder geschwächten Vogel finden. Wenn er ihn wegschleppt oder aufscheucht, trägt er zur Verbreitung des Virus bei. Außerdem wurde das Virus bereits in Hunden nachgewiesen – und wir wollen doch weder, dass dein Hund daran erkrankt, noch dass es von dort auf dich überspringt.
Vögel nicht anfassen
Nicht jeder tote Vogel, den du jetzt findest, hat die Vogelgrippe. Wenn du beim Spaziergang oder bei der Vogelbeobachtung einen toten oder sterbenden Vogel findest, solltest du ihn bitte nicht berühren. Das gilt besonders für Wasservögel, Greifvögel und Rabenvögel.
Und aus leidvoller Erfahrung muss ich es noch einmal ganz deutlich sagen: Vögel, die nicht wegfliegen, niemals kuscheln!
Wasservögel nicht füttern
Bitte verzichte auf das Füttern von Enten, Schwänen und anderen Wasservögeln in Parks. Abgesehen, dass das grundsätzlich keine so berauschende Idee ist (warum, steht hier), vergrößert es zurzeit das Risiko einer Übertragung unnötig.
Melden
Wenn du einen toten Vogel findest, melde ihn bitte an die zuständige Untere Naturschutzbehörde oder das Veterinäramt. Meist reicht ein kurzer Anruf mit Angabe des Fundorts und der Vogelart (sofern erkennbar). Viele Landkreise haben dafür auch Online-Meldeformulare oder spezielle Telefonnummern eingerichtet.
Wichtig: Die Behörden entscheiden, ob das Tier eingesammelt und untersucht wird. Das solltest du nie selbst übernehmen.
Weder Tierauffangstationen noch Vogelschutzzentren sind in der Lage, den an der Vogelgrippe erkrankten Vögeln zu helfen oder sie aufzunehmen! Bitte melde deine Funde dort nicht!
Desinfizieren
Da das Vogelgrippevirus über Kot übertragen wird, können auch wir Menschen dazu beitragen, es zu verschleppen. Wenn wir beispielsweise auf einer Wiese oder einem Weg in Gänsekot treten und dann weiter durch die Gegend spazieren, werden wir Teil des Infektionsgeschehens. Ebenso wenn wir unser Spektiv aufbauen und es dann zu einem anderen Ort tragen, um dort weiterzubeobachten.
Auch wenn du Kontakt mit eingesperrten Vögeln hast, achte besonders darauf, dass nichts von drinnen nach draußen und umgekehrt kommt: Säubere und desinfiziere deine Schuhe im Übergangsbereich, damit du nichts verschleppst. Halte dich, wenn möglich, von bekannten Rastgebieten von Zugvögeln fern.
Konsum anpassen
Der Ursprung dieses Problems ist menschgemacht. Deshalb kann auch die Lösung nur menschgemacht sein. Wenn wir weniger tierische Produkte kaufen, wird langfristig die Produktion runtergefahren. Das Risiko weiterer schwerer Ausbrüche sinkt.
Netter Nebeneffekt: Du senkst dein eigenes Infektionsrisiko, denn auch über Fleisch und Eier können die Viren übertragen werden. Und weniger Tiere werden eingesperrt, gequält und getötet. Win-Win für alle.
Sollte ich aufhören, die Vögel in meinem Garten zu füttern?
Bei der aktuellen Lage ist das nicht nötig. Die bisher bekannten Vogelgrippe-Fälle betreffen kaum Singvögel. Du darfst weiterhin füttern – solange du keine keine toten oder kranken Vögel in der Nähe deiner Futterstelle findest, und auf Hygiene achtest.
Grundsätzlich solltest du die Futterstellen sauber halten und regelmäßig mit heißem Wasser reinigen, um Ansteckungen zwischen Gartenvögeln zu vermeiden. Hängende Futterspender sind hygienischer als die klassischen Vogelhäuschen. Denk bei der Reinigung auch an die Wasserstelle!
Was die Vogelgrippe über unser Verhältnis zur Natur zeigt
Die Vogelgrippe in ihrer heutigen Form ist ein eindrückliches Beispiel dafür, was alles schief läuft bei unserem Umgang mit Tieren und der Natur.
Vögel trugen die Erreger schon lange in sich, ohne dass das große Auswirkungen hatte. Erst durch die weltweite industrielle Massenhaltung von Vögeln und den internationalen Handel mit lebenden Tieren und ihren Überresten bekommt das Virus immer wieder neue Möglichkeiten, sich auszubreiten und sich zu verändern.
Auch Umweltveränderungen spielen bei den katastrophalen Massenausbreitungen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben und aktuell erleben, eine große Rolle. Wenn Vögel auf dem Zug auf immer kleinere Rastgebiete ausweichen oder sich beim Brüten auf wenige geeignete Gebiete beschränken müssen, treffen sich dort mehr Tiere auf engem Raum. Das sind ideale Bedingungen für die Weitergabe von Erregern.
Die Vogelgrippe zeigt, wie eng unsere globalisierte Welt miteinander verflochten ist und wie verletzlich die Balance zwischen Natur und menschlicher Nutzung geworden ist. Die Leidtragenden sind, wie so oft, die Vögel. Der Ausweg aus diesem Teufelskreis von immer neuen Infektionen, dem Sterben und auch der Gefahr einer weiteren Pandemie bei uns Menschen ist simpel: Wir müssen aufhören, Tiere als Produkte zu betrachten und zu konsumieren. Kein Vogel gehört eingesperrt.













Liebe Silke, vielen Dank für diesen detaillierten und informativen Artikel. Ich würde mir bei dem Thema wünschen, dass sich vor allem herum spricht, dass wir mit unserem Konsum einen langen Hebel in der Hand haben, die Entwicklung neuer Viren-Varianten zu verlangsamen oder zu beschleunigen. Oft sind die Reaktionen dann erstmal Bestürzung und dann eine Rückkehr zum „business as usual“. Also wäre mein zweiter Wunsch, dass mehr Menschen endlich mal konsequent ihren Konsum von Geflügelfleisch und Eiern drastisch reduzieren. Darauf warte ich schon sehr lange, aber es wäre doch schon schön, wenn nicht in absehbarer Zukunft das nächste zoonotische Virus in form der Vogelgrippe durch die Menschheit zieht.
Liebe Grüße
Angela