Zuwanderung macht schlau: Die soziale Lernstrategie der Kohlmeisen

Soziales Lernen ist eine praktische Sache: Anstatt selbst mühsam herauszufinden, was funktioniert, beobachten wir andere und übernehmen deren Verhalten, wenn es erfolgversprechend aussieht. Das spart Zeit und Energie – und manchmal auch Nerven. Nicht nur wir Menschen machen das so, auch andere Tiere nutzen diese Strategie. Bei Kohlmeisen wurde das bereits in den 1920er-Jahren in England beobachtet, als die Vögel innerhalb kurzer Zeit lernten, den Rahm aus Milchflaschen zu trinken, deren Öffnungen seit neuestem mit einem Aludeckel verschlossen worden waren. Die Idee, dass sie sich diesen Trick gegenseitig beibrachten, gab damals den Anstoß zu spannenden Fragen: Wann und warum lernen Tiere besonders gut voneinander? Und wie funktioniert soziales Lernen, wenn Tiere in eine neue Umgebung kommen? Genau das haben Forschende jetzt bei Kohlmeisen untersucht und gewannen spannende Erkenntnisse.

Wie lief das Experiment ab?

Die Forschenden des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie (MPI-AB) und des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten an der Universität Konstanz arbeiteten mit Kohlmeisen. Sie nutzen für dieses Experiment ein selbst entwickeltes automatisiertes Futterbox-System. Bei dieser Box wurde Futter entweder ausgeben, wenn der Vogel auf die linke oder die rechte Tür drückte. Zunächst trainierten die Forschenden einzelne Vögel, eine der beiden Türen zu benutzen. Diese „Experten-Meisen“ wurden dann in Gruppen gesetzt. Die anderen Vögel lernten von dieser Meise, eine der beiden Möglichkeiten zu bevorzugen.

Im nächsten Schritt wurden Vögel aus einer Gruppe, die die eine Tür bevorzugten, in eine Gruppe gesetzt, die die andere Tür wählten. In einigen Gruppen enthielten die Vögel auch eine bessere Belohnung. Diese „Neuankömmlinge“ lernten schnell: Fast 80 Prozent von ihnen kopierten direkt die Methode der ansässigen Vögel, statt an ihrer bisherigen Technik festzuhalten. Besonders auffällig war dieser Effekt, wenn die Umgebung sichtbar verändert wurde, etwa durch verändertes Laub in den Volieren. Ohne diese visuellen Änderungen nutzten nur etwa 25 Prozent der Vögel sofort die neue Öffnungstechnik.

Warum ist das wichtig?

Die Studie weist erstmals in einem Experiment nach, dass Zuwanderung einen starken Einfluss darauf hat, wie Tiere voneinander lernen und untermauert die entsprechende Theorie. In der Natur ziehen Vögel oft in eine neue Umgebung. Diese motiviert die Tiere offenbar, besonders aufmerksam auf andere zu achten und so schneller nützliche Verhaltensweisen zu lernen. Soziales Lernen könnte in der Natur entscheidend sein, wenn Tiere sich an veränderte Bedingungen anpassen müssen.

Quelle

Chimento M, Alarcón-Nieto G, Aplin LM (2024) Immigrant birds learn from socially observed differences in payoffs when their environment changes. PLOS Biology 22(11): e3002699. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3002699

von | 14. Jan. 2025 | Forschung, Vogelwissen

aktualisiert:
1. März 2025

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Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ wurde zum „Wissensbuch des Jahres 2024“ gewählt. Ihr zweites Buch „Birding – Entdecke die Wunderwelt der Vögel“ richtet sich an Kinder ab 7 Jahre.

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