Hunde- und Katzenhaare als tödliche Gefahr im Vogelnest

Frühling ist Nestbauzeit, und viele Vogelfans wollen helfen. Ein beliebter und weit verbreiteter Tipp: ausgekämmte Hunde- oder Katzenhaare in der Natur verteilen, damit Vögel sie für ihre Nester nutzen können. Und ganz abwegig ist das nicht, denn viele Vogelarten verwenden Haare, um ihre Nester zu polstern und zu isolieren. Doch eine aktuelle wissenschaftliche Studie zeigt: Haustierhaare in Nestern können tödliche Folgen für Vögel haben.

Kuschelige Nester mit fatalen Folgen

Viele Singvögel polstern ihre Nester mit weichen Materialien wie Moos, Federn und Tierhaaren aus. Im Wald greifen sie dafür auch auf Reh-, Fuchs- oder Wildschweinhaare zurück. In der Stadt nutzen sie oft Hunde- oder Katzenhaare. Was harmlos und gemütlich klingt, birgt ein echtes Problem: Viele Haustiere werden mit Insektiziden gegen Zecken, Läuse und Flöhe behandelt. Diese Mittel enthalten Nervengifte. Sie haften monatelang im Fell und landen schließlich in den Nestern.

Forschende der Universität Sussex haben 103 Nester von Kohl- und Blaumeisen untersucht – mit alarmierenden Ergebnissen. In allen Nestern fanden sie Rückstände von Insektiziden, darunter Fipronil und Imidacloprid. Diese Stoffe sind in der EU für die Landwirtschaft verboten, weil sie giftig sind! In Tierarzneimitteln sind sie weiterhin erlaubt (wie cool es ist, den vierbeinigen Liebling damit zu behandeln, lasse ich an dieser Stelle mal undiskutiert). Je mehr Insektizide im Nest nachgewiesen wurden, desto mehr tote Jungvögel fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Wie das Gift die Vögel schädigt

Insektizide sind so konzipiert, dass sie das Nervensystem von Parasiten angreifen. Doch sie wirken nicht nur auf Insekten, sondern auch auf Vögel. Ein Vogelei erscheint uns auf den ersten Blick sehr robust und wie ein schützender Panzer. Was vielen nicht bewusst ist: Die Schale von Vogeleiern ist porös, damit Sauerstoff ins Innere gelangen kann. Und das macht sie anfällig für Chemikalien.

Die Nervengifte aus den Haustierhaaren dringen in die Eier ein und wirken auf die Embryos. Das hat zur Folge, dass einige Küken so geschädigt sind, dass sie gar nicht erst schlüpfen, sondern im Ei sterben. Diejenigen, die es schaffen, erwartet die nächste Gefahr: Nestlinge bleiben nach dem Schlüpfen noch eine Weile nackt und kommen direkt mit den Haaren in Kontakt. Über die Haut nehmen sie die Giftstoffe direkt auf, was ihre Überlebenschancen drastisch senkt. Zusätzlich atmen sie den Mist auch noch ein.

So können in bester Absicht ausgelegte Haustierhaare langfristige, negative Auswirkungen auf die Vogelpopulation in einem Gebiet haben.

Weitere Gefahren durch Tierhaare

Vogelschützende hatten lange schon den Verdacht, dass die Rückstände der Chemikalien in Haustierhaaren schädlich für Vögel sind. Durch die Studie wurde jetzt endgültig der Beweis dafür erbracht.

Neben den chemischen gibt es aber auch ein mechanisches Risiko: Die Küken, aber auch Elternvögel können sich in Tierhaaren verheddern. Das geht natürlich bei langen Haaren, aber auch kürzere Haare können sich so verknäulen, dass sie tödliche Fallen werden. Es gibt immer wieder dokumentierte Fälle, in denen sich Vögel mit Beinen, Flügeln oder Hälsen in den Haaren verhedderten und qualvoll starben. Gelangen die Haare durch Verschlucken in den Magen der Vögel, kann es dort zu Verschnürungen kommen, die zu Verstopfung oder dem Hungertod führen.

Die erste Reaktion vieler Hundehaltende auf Kritik an ihren Ausbürstaktionen in der Natur ist meist: „Ach, die paar Haare. Das ist doch Natur!“ – aber genau das ist ein Denkfehler! Selbst wenn irgendwo Hunde und Katzen rumlaufen, deren Fell frei von Pestiziden und den Rückständen von Shampoos und anderen Pflegemitteln sein sollte, so sind diese Haustierhaare keinesfalls „Natur“. Erstens natürlich, weil Haustiere nicht Teil des natürlichen Zyklus der Natur sind und es daher viel mehr dieser Prädatoren gibt, als ohne menschliche Unterstützung möglich wäre. Zweitens, weil Haare von Säugetieren natürlicherweise nicht in diesen großen Mengen auf einen Schlag ausfallen, wie sie beim Ausbürsten anfallen. Sie kommen daher in der Regel auch nicht in diesen Mengen in Nestern vor.

Verschnürungen durch Fäden und Menschenhaare an Taubenfüßen (Foto: Dimitra Tapra)

Wie du Vögel beim Nestbau richtig unterstützt

Auch wenn es gut gemeint ist: Haustierhaare sollten niemals absichtlich in der Natur ausgelegt werden. Sie schaden viel mehr, als dass sie helfen. Sie gehören in den Restmüll! Wenn du Vögeln beim Nestbau helfen willst, gibt es bessere Möglichkeiten:

Was kannst du tun?

  • Lass der Natur Raum: Verzichte im Herbst auf allzu gründliches Aufräumen im Garten. Abgestorbene Pflanzenteile und Moos bieten Vögeln natürliches Nistmaterial.
  • Schaffe sichere Rückzugsorte: Wilde Ecken mit ungemähtem Gras und ein Haufen mit Baumschnitt sind ideale Fundorte für Nistmaterial. Für einige Arten sind letztere auch ein geeigneter Nistplatz.
  • Verzichte auf Pestizide: Insekten spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem und sind sehr wichtig für Vögel.
  • Entsorge Haustierhaare richtig: Nach dem Bürsten gehören Haustierhaare in den Restmüll, nicht in die Natur.

Fazit: Gut gemeint ist diesmal voll daneben

Die Idee, Vögel mit ausgekämmten Haustierhaaren zu unterstützen, klingt zunächst harmlos und nett. Jetzt hat eine wissenschaftliche Studie endlich nachgewiesen, was Vogelschützende lange vermutet haben: Über die Haare von domestizierten Tieren gelangen Rückstände von Floh- und Zeckenmitteln in Vogelnestern und vergiften dort die Vögel. Die Folge: mehr unbefruchtete Eier, eine höhere Sterblichkeit von Jungvögeln und möglicherweise langfristige Auswirkungen auf ganze Populationen. Wer wirklich helfen möchte, setzt auf natürliche Alternativen und gestaltet seinen Garten vogelfreundlich. Davon profitieren die Vögel ohne Risiko.

Quelle

Cannelle Tassin de Montaigu, Gaetan Glauser, Sylvie Guinchard, Dave Goulson: High prevalence of veterinary drugs in bird’s Nests. Science of The Total Environment, Volume 964, 2025.

von | 28. Feb. 2025 | Vogelschutz

aktualisiert:
1. März 2025

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ wurde zum „Wissensbuch des Jahres 2024“ gewählt. Ihr zweites Buch „Birding – Entdecke die Wunderwelt der Vögel“ richtet sich an Kinder ab 7 Jahre.

Moin, ich bin Silke,

wie schön, dass du da bist! Hier berichte ich dir Wunderbares und Wundersames über Vögel und ihre Welt. Außerdem erfährst du, wie du anfängst, sie schnell selbst zu sehen und immer besser darin wirst. Komm mit auf die Reise!

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