Tragen Eulen ihre Küken auf dem Rücken?

Im Internet kursieren Videos mit Eulen, die ihren Nachwuchs auf dem Rücken tragen. Die flauschigen Küken sehen zuckersüß aus, lächeln freundlich in die Kamera und gerne möchten wir glauben, dass Euleneltern so etwas Wunderbares, Fürsorgliches tun. Aber was ist dran an diesen Videos?

Auf den ersten Blick sehen sie sehr realistisch aus. Auch Menschen, die eigentlich naturinteressiert sind, kommen ins Zweifeln und ins Staunen. In der letzten Woche erreichten mich Fragen dazu: Warum die Eulen das tun, ob Art XY das auch macht, wie viele ihrer Küken Eulen so transportieren können und wohin sie eigentlich fliegen.

Das Ding ist: Eulen tragen ihren Nachwuchs nicht auf dem Rücken! Das ist absoluter Quatsch! Und zur Sicherheit: Auch Adler tun das nicht (die tragen höchstens mal Hobbits oder Zauberer auf dem Rücken, aber das passiert nur in Mittelerde).

Diese Fotos und Videos sind KI-generiert.

KI bedeutet Künstliche Intelligenz. Sie wurden also von einer Software erstellt, die zuvor Milliarden Fotos aus dem Internet geklaut und verarbeitet hat, um dann auf Befehlt hin, etwas „Neues“ zu erschaffen.

Aww, so süß. Und alle mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht.
Upsi-Daisy, dieses Küken hat aber ein paar Hinterläufe zu viel abbekommen.
Majestätisch gleitet diese KI-Eule über einen digitalen Wald. Das rechte Küken wirkt allerdings, als sei es darüber ein bisschen traurig.

Was ist das Problem damit?

Eins dieser KI erstellten Eulen-Quatsch-Videos wurde bereits an über 54 MILLIONEN Menschen ausgespielt, Tendenz steigend. 54 Millionen Menschen, von den bestimmt mehr als die Hälfte das irgendwie plausibel findet oder bei denen sich zumindest dieses Bild festsetzt.

Und das sind ja nicht die einzigen Videos dieser Art.

Selbst wenn sich an den Bildern oder Videos ein Hinweis dazu befinden sollte, dass sie mit KI erstellt sind, scheint den meisten Menschen noch nicht bewusst zu sein, was das überhaupt bedeutet.

I see this as misinformation about nature that most people don’t know enough about.
(Ich betrachte dies als Fehlinformationen über die Natur, über die die meisten Menschen nicht genug wissen.)

Anastasia Bachykala auf Instagram, @anastasia_bachykala

Diese „visuellen Lügen“ tauchen nicht in einem Zeichentrickfilm auf, wo wir nicht-reale Dinge erwarten, sondern neben Videos der Tagessschau, Cousine Klaras Blumenfotos, in Status-Updates und Chat-Gruppen, gepostet von Menschen, die wir kennen. Das sorgt dafür, dass sie automatisch einen Vertrauensvorschuss bekommen und wir sie weniger hinterfragen.

KI-generierte Fotos und Videos von vermeintlicher „Natur“ werden an Menschen ausgespielt, die sowieso schon nicht genug über die Natur wissen. So festigt sich ein Fake-Bild von ihr und diese Menschen entfernen sich noch mehr von der echten Natur. Keins der Wunder, die draußen auf sie warten, wird für sie mit diesen KI-Bildern mithalten können.

Im Gegensatz zu dieser Hochglanzniedlichkeit wirkt alles Reale grau und öde.

Und auch bei naturinteressierten Menschen mit einer gewissen Vorbildung können diese Videos und Bilder als Falschinformationen hängen bleiben.

Oh, wie furchtbar niedlich wäre es, einen so winzigen Pfau auf dem Finger zu balancieren. Ich fürchte, irgendjemand auf der Welt züchtet bereits solche Minivögel.

Wie man KI erkennen kann

KI wird nicht mehr weggehen, im Gegenteil. Die Bilder werden immer besser werden. Wenn wir heute noch müde lächeln über die zweiköpfige Gans (siehe unten) oder die dreiäugige Ente, werden diese Fehler immer seltener und seltener werden. Künstlich generierte Bilder werden immer schwerer zu erkennen sein.

Es ist also sehr wichtig, dass wir uns Medien- und Informationskompetenz erarbeiten. Bitte prüfe deine Quellen! Glaube nicht alles, was du im Internet siehst und liest, auch und besonders wenn etwas besonders süß und besonders einleuchtend erscheint. Mythen verfangen sich schneller, als wir uns vorstellen können, und richten großen Schaden an.

Hier noch ein paar weitere Hinweise auf die du zurzeit noch achten kannst:

Huch, dieser Gans (Art unbekannt) wachsen im Video immer mal wieder ein paar Köpfe zu viel. Dafür überwindet sie mit so viel zusätzlichem Gewicht so hoch am Himmel locker die Gesetze der Physik. Auch die Küken halten sich eher selten an die biologische Realität, aber yay, so süß.
Oben links ist der dezente Hinweis dazu, dass es sich um ein KI-generiertes Bild bzw. Video handelt. Aber wer achtet schon aufs Kleingedruckte?
Sehr spannend wie hier zusätzlich zur Erdanziehung auch die Artgrenzen überwunden werden. Die vorderen Gänseküken sehen verdächtig nach Schwalben aus, die hinteren dafür eher wie Pinguine. Und toll, wie sich die Minis sogar auf den … äh … nennen wir es Schwanzfedern halten können. Beine hat diese Gans auch mehr als genug im Angebot. Damit klappt es dann bestimmt auch mit der Landung.

Alle hier gezeigten Bilder sind Screenshots aus Videos, die vom Instagram-Accounts @therealnaturelove im Laufe des letzten Monats gepostet wurden. (Und nein: der braucht nicht noch mehr Account-Besuche, die den Algorithmus befeuern.)

Grüße und ein großes Dankeschön gehen raus an meine Vogel-Freundin Andrea, die mich auf diese Videos aufmerksam gemacht hat. Sie war übrigens auch schon in meinem Podcast zu Gast.

von | 26. Okt 2024 | Vogelwissen

aktualisiert:
26. Okt 2024

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ist als „Wissensbuch des Jahres 2024“ nominiert.

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2 Kommentare

  1. Moin Silke!
    (Schreibt man eigentlich Schneeeule jetzt ECHT mit drei „e?) 🤔😁
    Anyway: Danke für die Aufklärung!!! Und wieder ‚mal: ALLES überprüfen, was im Netz (oder sonstwo) steht!

    Gruß aus Kiel.

    Charly

    Antworten
  2. Hallo Silke,
    herzlichen Dank für die Aufklärung!
    Okay, so eine Story hätte ich nun nicht geglaubt, das ist doch allzu grotesk. Und im ersten Moment, als ich deine Mail dazu erhielt, dachte ich sogar, *du* wolltest uns mit einem vorgezogenen Aprilscherz auf den Arm nehmen, so absurd kam mir das vor. Aber dazu war dein Ton doch zu ernst.
    Solche Geschichten hat es ja schon immer gegeben, man denke an das legendäre „Foto“ von Nessi und fotographisch untermauerte Bigfoot-Legenden. Zugegeben, es macht ja auch Spaß, die Leute ein wenig zu foppen, ihnen Jägerlatein unterzujubeln und ihre Gutgläubigkeit auszutesten, Aber irgendwann hört der Spaß auf. Und mit den Dimensionen, die solche Fake-Geschichten im Internet annehmen, wird es gefährlich. Dabei sind die Eulenküken auf Mamas Rücken ja noch harmlos, selbst wenn die Kiddies das erstmal glauben. Man kann sie ja aufklären und dannwerden sie hoffentlich auch kritischer beim Hingucken.
    Aber wir beobachten Fakes ja auch immer häufiger im politischen Bereich. Und ich beobachte da auch eine Veränderung in mir selbst. Ich halte mich eigentlich für einen sehr gutmütigen und friedfertigen Menschen. Aber ich merke, wie ich immer misstrauischer werde. Ich lese „Nachrichten“ auf Social Media fast nur noch mit gezogenem Revolver, – siehe meine Eingangsbemerkung. Eine Art Dauer-Alarmismus. Einerseits notwenig, andererseits macht es auch krank. Das ist schade!
    Da ist es um so schöner, dass du uns mit deiner frohen, humorvollen und lebensbejahenden Art in die Volgewelt einführst! Ganz herzlichen Dank!
    Übrigens hat mich heute Morgen ein Waldkauz geweckt. Nett, nä?
    Liebe Grüße
    Peter

    Antworten

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