Vogelstimmen lernen

Heute geht es um die royale Disziplin des Vogelguckens. Na ja, zumindest empfinden das viele Menschen so. Es geht ums Vogelstimmen lernen.

Geht dir das auch so? Das Vogelkonzert dreht grade auf, aber so ganz klappt das mit der Zuordnung der Vogelgesänge noch nicht? Überall piept und trällert und singt es. Und zwar durcheinander. Vogelstimmen können ganz schön einschüchternd sein und bringen viele Vogelfans Frühling für Frühling zur Verzweiflung.

Die gute Nachricht: Du bist nicht allein. Das ist ganz normal. Vogellaute sind so anders als das, was uns sonst so im Alltag umgibt. Wir haben sie zwar alle schon mal gehört, aber sie sind uns nicht mehr vertraut.

Aber keine Angst: Hilfe naht! Auch für dich kann das Frühlingskonzert ein Genuss werden, bei dem du jeden Tag akustische Bekannte triffst und dich mit ihnen verbunden fühlst, statt dich dauernd zu fragen, wer das jetzt wieder war.

Hier gibt’s den Blogpost auch zum Anhören:

Mein steiniger Weg

Mir selbst fielen Vogelstimmen sehr lange sehr schwer. Über Jahre fing ich gefühlt wieder in jedem Frühling bei Null an. Es gibt so Menschen, denen fallen sie fast zu. Für Johanna Romberg oder meine Kursteilnehmerin Sabrina sind Vogelstimmen leicht. Bei mir war das nie so. Ich habe mir jede einzelne hart erkämpft.

Ich bin nicht musikalisch und ich habe kein akustisches und auch kein visuelles Gedächtnis. Eine Handvoll der Standardmethoden zum Lernen von Vogelstimmen funktionieren dadurch für mich nicht. Aber bis ich das verstanden hatte, habe ich sie alle ausprobiert. Am Ende hat bei mir wohl eine Mischung aus allen Methoden funktioniert. Und das hat mich zum Methodenprofi gemacht.

Wichtig beim Vogelstimmen lernen

Eine wichtige, vielleicht auch die wichtigste Zutat beim Lernen von Vogelstimmen ist Geduld. Ja, ich weiß: Das ist manchmal schwierig. Aber sei nett zu dir, wenn du für deinen eigenen Geschmack mal wieder viel zu langsam lernst oder schon wieder völlig ahnungslos bist, obwohl du diese eine Stimme doch jetzt endlich draufhaben wolltest.

Drei neue Stimmen pro Jahr sind guter Durchschnitt. Überfordere dich nicht, indem du zehn Stimmen gleichzeitig lernen willst. Schön eine nach der anderen. Kein Leistungsdruck. Verankere die eine Stimme erst richtig gut und tief, bevor du weiterziehst. Qualität steht vor Quantität. Vogelstimmen lernen ist nicht wie Vokabeln lernen. Sieh es als ein Langzeitprojekt an, oder vielleicht sogar als eine Lebensaufgabe. Geb dir Zeit und sei unterwegs nett zu dir. Setz außerdem die richtigen Maßstäbe. Nicht an den anderen, sondern an dir selbst vor einem Jahr solltest du dich messen. Wenn du dieses Jahr zwei Stimmen mitnimmst, sind das schon zwei mehr als im letzten Jahr.

Das Zweitwichtigste

Am Anfang allen Vogelstimmenlernens steht die Wahrnehmung und das ist auch meine Lieblingsmethode. Wir Menschen sind Augenwesen und heutzutage sehr auf das Optische fokussiert. Um Vogelstimmen zu lernen ist das natürlich unpraktisch. Also: Augen zu, Ohren auf! Übe Hinzuhören. Zuzuhören. Den Vögeln zu lauschen. Am besten absichtsfrei, ohne wissen zu wollen, wer da jetzt was singt und warum. Versuche lieber, dich auf eine einzelne Stimme im großen Konzert zu konzentrieren und einfach nur zuzuhören. Nimm die Stimme in dich auf. Später kannst du vielleicht mal hinhören, von wo sie kommt, und wie sie klingt. Hoch oder tief? Schnell oder langsam? Getragen oder quirlig? Ist der Vogel vielleicht grade aufgeregt? Entspannt?

Vogelstimmen

Das klappt übrigens zu jeder Jahreszeit. Es gibt nämlich noch so viel mehr als „nur“ Vogelgesänge. Ja, von denen reden alle und die sind ja auch toll, aber es gibt auch noch so viele andere coole Vogellaute, die dich beschäftigt halten werden. Die Stimme wird nämlich von allen Vögeln das ganze Jahr über genutzt. Schon im Ei kommunizieren Eltern mit ihrem Küken und Vögel erkennen einander auch an der Stimme. Es gibt Kontaktrufe, Warnrufe, Bettelrufe, Angriffsschreie, Lockrufe und viele mehr. Die Stimme ist super wichtig für das Sozialleben von vielen Vögeln. Und auch für das Überleben. Das Lautrepertoire einer Art kann ganz schön komplex sein. Bei manchen Arten lassen sich Forschende inzwischen sogar dazu hinreißen von „Sprache“ zu sprechen.

Wenn du dich also auf den Gesang beschränkst, verpasst du das Coolste. Und wenn du dich für Stimmen öffnest, kannst du das ganze Jahr über im Hinhör-Training bleiben. War das grade eine Nebelkrähe oder ein Eichelhäher? Oder doch eine Elster? Ein Kolkrabe? Und wie klingt eigentlich eine Reiherente? Oder ein Graureiher? Oder die fünf Taubenarten, die wir haben? Zwei von ihnen verraten ihre Anwesenheit nämlich hauptsächlich durch ihre Stimme. Und wie klingt eigentlich der Warnruf einer Amsel? und was verrät er? Dabei gibt es keine langweiligen Vogelstimmen. Jede Stimme ist gleich wertvoll und trainiert dein Gehör.

Vogelgesänge

Aber zurück zu den Gesängen, denn darauf sind wir jetzt im Frühling ja alle scharf. Es ist wichtig, dass wir uns noch mal daran erinnern, warum Vögel eigentlich singen. Und die Antwort darauf ist gar nicht so einfach, denn die Wissenschaft tappt da tatsächlich noch sehr viel im Dunkeln. Klar ist, dass durch Gesang Reviere abgesteckt werden. Ein akustischer Gartenzaun sozusagen. Und Vogelmännchen preisen sich durch den Gesang an, um eine Partnerin auf sich aufmerksam zu machen. Die checkt den Typen dann mal ab und entscheidet, ob er ihr cool genug ist. Vogelmännchen batteln sich dann auch regelrecht. Nachtigallen tun das beispielsweise. Sie treten in direkten Sangeswettstreit miteinander und versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen.

Die landläufige Meinung, dass nur Vogelmännchen singen, ist inzwischen längst überholt. Du kannst also nicht mehr davon ausgehen, dass der Vogel, den du singen siehst, zwangsläufig ein Männchen ist, wie das westliche Ornithologen viel zu lange getan haben. Auch die Weibchen singen.

Wichtig zu wissen ist auch, dass Vögel nicht nur aus lauter Nettigkeit und Lieblichkeit singen. Der Gesang eines Artgenossens oder einer Artgenossin kann sie ganz schön stressen, Sie stehen häufig in Konkurrenz miteinander. besonders stressig ist es, wenn sie den Eindringling ins Revier nicht entdecken oder durch ihre üblichen Mechanismen vertreiben können. Und deshalb hören wir uns Gesänge draußen nur ganz ganz leise und mit Kopfhörern an! Bitte locke nicht einen Vogel mit einer Stimme aus deinem Handy an. Auch wenn das für dich niedlich erscheint, ist das für die Vögel alles andere als witzig und kann schwerwiegende Folgen für sie haben. Deshalb ist das laute Abspielen von Vogelstimmen draußen sogar gesetzlich verboten und nur zu wissenschaftlichen Zwecken erlaubt.

Digitale Methoden zum Vogelstimmenlernen

Was du zum Lernen aber machen darfst und was auch eine schöne Methode für dich sein kann, ist das umzukehren und die Stimmen der Vögel aufzunehmen und dir hinterher zu Hause noch einmal anzuhören und mithilfe von Stimmdatenbanken, einer App oder deiner Audiosammlung den richtigen Vogel rauszupuzzeln.

Bei Stimmerkennungsapps ist übrigens Vorsicht geboten. Ich weiß, dass viele das nicht gerne hören und die auch bei allen sehr beliebt sind und ja, die machen auch viel Spaß. Zum Lernen finde ich sie aber nicht gut, weil sie noch lange nicht verlässlich sind und der Lerneffekt durch das Vorsagen auch nicht besonders groß ist. Denn darum geht es ja eigentlich: Dass du es selbst weiß, und es dir nicht vorsagen lassen musst. Also bitte gleiche alle unbekannten Stimmen noch mal mit einer anderen Quelle ab. So lernst du sie auch viel besser.

Eselsbrücken, Merksprüche, Bilder

Eine andere beliebte Methode sind Merksätze oder Merksprüche. Dabei werden die Vogellaute in menschliche Sprache übersetzt. Also sowas wie: „Die Goldammer singt: Wie, wie, wie, wie hab ich dich liiiieb.“ Davon gibt es ganz viele, aber am besten denkst du dir eigene aus. Da allerdings nicht jede Vogelart so ein Standardrepertoire hat, gibt es nicht für jeden Gesang einen Merkspruch.

Da hilft es vielen, die Stimme zu beschreiben. Vielleicht klingt sie für dich ja aufgedreht oder als käme sie aus einer tiefen Erdhöhle, wie ein rostiger Kinderwagen oder wie ein Gebirgsbach. Vielleicht kannst du auch Bilder im Kopf entstehen lassen und dir dadurch Eselsbrücken bauen. Sowas wie: Diese Vogelstimme klingt wie ein klarer Junimorgen, wie ein Wassertropfen auf einem Birkenblatt oder ein Schlüssel, der über den Autolack kratzt.

Es gibt auch schöne alte Verben oder Schallwörte, die du dir zu Hilfe nehmen kannst. Oder schreib auf, was du hörst. Tiefe Vokale wie U stehen für tiefe Töne und ein I oder ein Ü für hohe Töne. Unter Tirilieren stellst du dir ja auch gleich was anderes vor als unter Gurren.

Wie in der Schule

Auch eine schöne Möglichkeit sind Sonagramme, auch Klangspektogramme oder nur Spektogramme genannt. Das sind so Kurven durch die Laute sichtbar gemacht werden. So werden auch die Augen ins Lernen einbezogen und das hat schon für viele meine Kursteilnehmerinnen zu einem großes AHA-Erlebnis geführt. Für mich waren sie übrigens auch ein absoluter Game changer.

Du kannst Vogelstimmen natürlich auch richtig Büffeln. Also quasi Auswendiglernen, wenn das für dich funktioniert. Dafür hörst du sie dir immer und immer wieder an. Ich verlinke dir ein paar hilfreiche Apps und Datenbanken. Natürlich kannst du auch klassisch CDs oder DVDs nutzen. Viele schwören auch auf die Kombi aus Hören und Sehen. Also einem Vogel beim Singen quasi auf dem Schnabel zu schauen. Das geht jetzt im Frühling draußen besonders gut.

Detektivarbeit

Wenn dir eine Stimme bekannt vorkommt, du aber nicht sofort drauf kommst, wer da singt: ruhig bleiben! Und der Sache eine Chance geben. Nimm es sportlich, sieh es als ein Rätsel an. Wo bist du? Was ist hier wahrscheinlich? Rohrsänger oder Feldlerchen hörst du eher nicht im finsteren Wald. Klingt es nach einem großen oder einem kleinen Vogel? Kleine singen tendenziell höher und feiner. Auch wenn es da natürlich Ausnahmen gibt. Den Zaunkönig z.B. bei dem dir auch schon mal die Ohren abfallen können. Welche Jahreszeit ist jetzt? Kann das wirklich eine Nachtigall sein, die da im Januar nachts vor deinem Fenster singt? kleiner Spoiler: nein. Durch viele kleine Sherlockfragen bekommst du viele kleine Puzzleteile und kommst so der Lösung näher.

Deine persönliche Methode

Es gibt so viele Methoden und jede von uns lernt ganz individuell. Such dir die, die zu dir passt! Gib ruhig allen eine Chance, auch wenn sie dir merkwürdig vorkommen. Du findest bestimmt noch die Methode, die am besten zu dir passt. 11 erprobte Methoden zum Lernen von Vogelstimmen habe ich dir ► hier zum Download zusammengestellt.

Bitte denk beim Vogelstimmenlernen und überhaupt immer daran: Sei nett zu dir. Und wenn du Vogelstimmen in netter Gesellschaft lernen willst, komm ins Vogelstimmen Bootcamp. Damit wird dein Frühling noch viel schöner und intensiver.

Beim Vogelstimmen Bootcamp machen wir dich fit für das große Frühlingskonzert der Vögel. Im Januar gab es schon ein Vogelstimmen Bootcamp zu den Standvögeln. Da hatten wir schon sehr viel Spaß und die Teilnehmerinnen haben viel gelernt. Wenn du das verpasst hast, kannst du dir noch die Aufzeichnung anschauen. Jetzt im April lernen wir beim zweiten Vogelstimmen Bootcamp gemeinsam die Stimmen von Sommervögeln kennen.

Alle Infos findest du ► hier. Ich freue mich sehr, wenn du dabei bist und wir uns dann kennenzulernen!

von | 24. Mrz 2023 | Podcast, Vogelgucken Praxis

aktualisiert:
2. Jul 2023

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ist als „Wissensbuch des Jahres 2024“ nominiert.

Moin, ich bin Silke,

wie schön, dass du da bist! Hier berichte ich dir Wunderbares und Wundersames über Vögel und ihre Welt. Außerdem erfährst du, wie du anfängst, sie schnell selbst zu sehen und immer besser darin wirst. Komm mit auf die Reise!

Mein neues KOSMOS-Buch: „Die Superkräfte der Vögel“

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