Fatale Verwechslung: Warum Gummibänder eine Gefahr für Weißstörche sind

Haushaltsgummis sind aus den meisten Haushalten nicht wegzudenken. Sie sind klein, unscheinbar und überall zu finden – und genau das ist ein Problem. Sie tauchen oft an Stellen auf, wo sie nicht hingehören. Jedes Jahr sterben viel zu viele Weißstörche, weil ihre Mägen voll Gummibänder sind. Warum das so ist und was wir dagegen tun können, erfährst du in diesem Artikel.

Warum sind Gummibänder gefährlich für Störche?

Weißstörche ernähren sich von Insekten, Kleinsäuger, Amphibien – und besonders gerne von Regenwürmer. Dummerweise sehen weggeworfene Gummibänder genau so aus: dünn, länglich, biegsam. Sie ähneln in Form, Farbe und Konsistenz Regenwürmern. Daher halten Weißstörche sie offenbar für Nahrung und futtern sie. Und nicht nur das: Sie füttern sie auch an ihren Nachwuchs weiter.

Gummibänder sind nicht verdaulich. Eigentlich ist das kein Problem für Weißstörche, denn Mausefell und Knochen sind für sie auch unverdaulich. Sie würgen sie als Gewölle wieder heraus.

Das Problem ist aber, dass sie die Gummis in so großen Mengen fressen, dass sie verklumpen, sich verhärten und die Verdauung der Störche blockieren. Die Gummibänder sammeln sich in ihren Mägen an. Die Weißstörche werden zu schwer und dadurch flugunfähig. Schließlich verhungern sie mit vollem Magen.

Sie sehen alle so erschreckend vertraut aus: Diese 145 Gummiteile wurden einem einzigen Jungstorch aus Bad Dürrenberg aus dem Magen geholt. (Foto: NABU Leipzig)
Einem toten Jungstorch wurde in der Vogelklinik der Magen geöffnet. Darin befanden sich 145 Gummiteile. (Foto: NABU Leipzig)

Wo kommen die Gummis her?

Als ich die Sache mit den Gummibändern zum ersten Mal gelesen habe, hielt ich das für einen schlechten Scherz, einen Unfall oder für eine gezielte Vergiftungsaktion gegen Weißstörche. Woher zum Kuckuck sollten sie sonst so viele Gummibänder haben, dass sie daran sterben können? Wenn wir nur diese eine Quelle finden würden, wäre das Leiden der Störche beendet, glaubte ich. Aber ganz so einfach zu lösen ist das Problem leider nicht, denn die Verursacher*innen sind: wir alle.

Die Gummibänder stammen aus den Haushalten von ganz normalen Menschen. Sie waren ursprünglich um solch alltägliche Produkte wie Radieschen, Frühlingszwiebeln, Schnittblumen oder Kräutern gewunden, die damit gebündelt werden. Mit den Resten dieser Produkte landen sie im Biomüll. In größeren Mengen passiert das auch auf Wochenmärkten, Blumengeschäften oder in Supermärkten. Über den Biomüll gelangen die Gummis in Kompostieranlagen und dann auf die Felder. Dort entdecken die Weißstörche sie bei der Nahrungssuche.

Weißstorch auf Nahrungssuche

Ein flächendeckendes Problem

Das Phänomen ist schon seit vielen Jahren bekannt. In Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt & Thüringen, Bayern, in der Schweiz – ach, eigentlich überall – wurden bereits Fälle dokumentiert, bei denen Weißstörche mit Gummibändern im Magen aufgefunden wurden. Die Dunkelziffer dabei ist aber wohl deutlich höher, da nicht alle verendeten Vögel gefunden und untersucht werden und offenbar nicht jeder Fund eine Meldung wert ist.

Was all diese Fälle gemeinsam haben: Sie machen mal kurz ein bisschen Wirbel, werden aber immer als regionale Einzelfälle betrachtet, über die eine Lokalredaktion als Kuriosität berichtet. Der große Zusammenhang wird selten hergestellt. Und abgestellt wird die Ursache des Problems schon gar nicht.

Das zeigt auch der Fall in der Nähe von Leipzig: Im letzten Jahr erlangte die Gegend um Bad Dürrenberg in Sachsen-Anhalt traurige Berühmtheit unter Vogelfans, weil dort wiederholt tote, schwache oder flugunfähige Weißstörche gefunden wurden. Wieder und immer wieder. Der NABU Leipzig, der diesen Fall betreut, rief dazu auf, nach der Quelle dieser Gummibänder Ausschau zu halten und zu melden, wohin Weißstörche fliegen. (→Infoseite des NABU Leipzig dazu)

Im letzten Sommer wurde die Deponie Beuna als eine Quelle ausfindig gemacht. Fotomaterial des NABU Leipzig zeigt, dass der Biomüll dort stark mit Kunststoff- und Gummiteilen verunreinigt ist. Der Anblick ist sowohl erschreckend als auch traurig und zeigt ein eklatantes Versagen unseres Systems.

Denn das wird kein Einzelfall sein. Auch auf anderen Deponien wird der Biomüll genauso oder auch schlimmer aussehen. Auch ich habe schon mehrmals in ach-so-toller-und-teurer-Bio-Gemüseerde Plastikstreifen gefunden – und ich bin wirklich keine Heavy-Userin von Erde.

Hatte der NABU Leipzig im letzten Jahr noch gehofft, dass Maßnahmen gegen diesen Umweltskandal geplant und umgesetzt werden, so brachte dieses Jahr Ernüchterung. Bei einer erneuten Begehung der Deponie, sah es unverändert aus.

Das ist – unfassbarer Weise – eine Bio-Kompostieranlage mitten in Deutschland. Foto: NABU Leipzig (beim Klick auf das Bild kommst du zum entspechenden Instapost)

Was können wir tun?

Das Ding ist: Es sind immer Menschen, die die Gummis achtlos in den Biomüll werfen. Nicht „die Industrie“, kein böser Großkonzern, keine Behörde, sondern jede*r Einzelne von uns. Ich denke, dass viel zu viele Menschen davon ausgehen, dass sich irgendjemand schon nochmal um den Biomüll kümmern wird, bevor er kompostiert wird. Sonst käme ja das ganze Plastik, das „die anderen“ da reinwerfen, auf die Felder. Das kann ja nicht sein, im Müllsortier-Musterland. NotSoFunFact: Quasi nichts wird aussortiert. Das ist angeblich zu teuer (kostet so halt nur unsere Gesundheit und ein paar Storchenleben). Daher müssen wir alle Verantwortung übernehmen. Sonst macht es ja wieder niemand.

Die gute Nachricht ist: Im Vergleich zu anderen Umweltproblemen, die wir so haben, ist dieses hier verhältnismäßig leicht zu lösen. Wir alle können einen Beitrag leisten, um Weißstörche zu schützen:

  • Richtige Entsorgung: Gummibänder gehören in den Restmüll, nicht in den Biomüll. So verhindern wir, dass sie in die Natur gelangen.
  • Bewusstsein schaffen: Informiere deinen Freundeskreis, die Familie und lokale Händler*innen über diese Gefahr, die von achtlos entsorgten Gummibändern für Vögel und die Umwelt ausgeht. Je mehr Menschen Bescheid wissen, desto besser!
  • Alternativen nutzen: Überlegt schon beim Einkauf, ob du auf Gummibänder verzichten oder umweltfreundlichere Alternativen verwenden kannst.
  • Freundlich nachfragen: Kontaktiert eure politischen Vertreter*innen im Bundestag, die Naturschutzbehörden und Lokalpolitiker*innen und fragt doch mal freundlich, aber bestimmt nach, was bei euch vor Ort gegen diese Gefahr getan wird. Und lasst euch bitte nicht einreden, dass es das Problem bei euch nicht gibt.

Fazit

Störche sind faszinierende Vögel, die jedes Jahr tausende Kilometer zurücklegen, um bei uns zu brüten. Doch hier sterben viel zu viele von ihnen durch Gummibänder, die wir achtlos wegwerfen. Welch ein qualvoller, trauriger und komplett sinnloser Tod! Dabei ist es doch echt so einfach, dieses Leid zu verhindern und Storchenleben zu retten:

Gemüse und Blumen kommen in den Biomüll, Gummibänder gehören in den Restmüll. Ein kurzer Griff, der Leben rettet. Danke, dass du mitmachst und dass du es weitersagst.

von | 27. Feb. 2025 | Vogelschutz

aktualisiert:
1. März 2025

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