Zebrafinken: Weibchen als heimliche Gesangs-Coaches der Männchen

Wenn wir an singende Vögel denken, stellen sich viele das Bild von zwitschernden Männchen vor, die mit ihren schönsten Gesängen Weibchen anlocken. Der einzige Job der Weibchen ist dabei zuzuhören und sich willenlos zu ergeben. Doch das ist ein Irrglaube! Bei vielen Arten singen auch die Weibchen. Aber selbst bei Arten, bei denen ausschließlich die Männchen singen, zeigt eine neue Studie, dass die Weibchen alles andere als passiv sind. Weibliche Zebrafinken helfen den männlichen Jungvögeln sogar dabei, richtig gute Sänger zu werden.

Was am Gesang der Zebrafinken spannend ist

Zebrafinken sind kleine, gesellige Vögel, die eigentlich in Australien und auf den Kleinen Sundainseln leben. Sie werden inzwischen in zwei Arten unterschieden, in den Australischen Zebrafinken und den Sundazebrafinken, aber wir wollen heute ausnahmsweise mal nicht kleinlich sein.

Sie sind reine Körnerfresser. Nach nur drei Monaten sind die Jungvögel bereits wieder geschlechtsreif. Das führt dazu, dass Menschen sie gerne in Gefangenschaft halten und züchten. Es macht sie jedoch auch zu leicht zu erforschenden Vögeln, weil sie in großen Gruppen gehalten werden können und sowohl Ernährung als auch Vermehrung relativ unaufwändig sind. Zebrafinken sind daher eine gut erforschte Vogelart.

Bei Zebrafinken singen nur die Männchen. Weibliche Zebrafinken singen nicht. Ihre Rufe sind ihnen angeboren. Auch Männchen nutzen angeborene Rufe. Ihr Gesang ist ihnen jedoch nicht angeboren, sondern sie müssen ihn als Jungvögel lernen.

Das tun sie, indem sie einem älteren Tutor – meist dem Vater – lauschen, ohne selbst zu singen. Erst später fangen sie an, den gehörten Gesang auch selbst zu üben. Erst imitieren sie ihren Tutor, entwickeln dann aber eine eigene, persönliche Version, die sie ihr Leben lang beibehalten. Sie lernen dann nichts Neues mehr dazu.

Forschungen, die das Erlernen des Gesangs untersucht haben, konzentrierten sich bisher auf die Dynamik zwischen den beiden Männchen, also dem Tutor und dem Jungvogel.

Die neue Studie: Weibchen mischen kräftig mit

Eine Forschungsgruppe um Daniela Vallentin vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz hat die Annahme vom passiven Weibchen auf die Probe gestellt und den Einfluss der Weibchen untersucht.

Dafür spielten die Forschenden den jungen Zebrafinkmännchen den zu lernenden Gesang vor – entweder wenn sie alleine waren oder wenn ein Weibchen anwesend war. So stellten sie fest, dass junge Männchen, die in Gesellschaft von Weibchen übten, ihren Gesang besser lernten als die, die alleine waren. Die Weibchen reagierten auf die Gesangsübungen der Männchen mit kurzen, einfachen Rufen – und genau dieses Feedback hatte einen positiven Einfluss: Männchen, die mit weiblicher Unterstützung lernten, konnten den Tutorgesang genauer imitieren.

Was passiert dabei im Gehirn?

Nicht nur im Verhalten, auch im Gehirn der Männchen zeigte sich der Einfluss der Weibchen. Ihre Rufe aktivierten spezielle Nervenzellen im sogenannten Gesangszentrum der Männchen. Das Feedback der Weibchen hilft den Jungvögeln also dabei, ihren Gesang zu verfeinern und wirkt möglicherweise als direkte Anleitung beim Gesangslernen.

Warum ist das wichtig?

Unser Blick auf die (Vogel-)Welt wurde viel zu lange ausschließlich von westlichen männlichen Forschern geprägt. Dabei wurde viel übersehen. Diese Studie zeigt, dass Weibchen nicht einfach nur „passive Zuhörerinnen“ sind. Ganz im Gegenteil: Sie haben eine aktive Rolle im Lernprozess.

Subtile Interaktionen, die lange unbeachtet bleiben, können einen entscheidenden Einfluss auf wichtige und komplizierte Verhaltensweisen haben. Voreilige Annahmen führen oft dazu, dass wir spannende Details übersehen – so wie die leisen Rufe der Zebrafink-Weibchen, die das Gesangstalent der Männchen entscheidend prägen.

Fazit: Weibchen sind mehr als stille Zuhörerinnen

Diese Forschung rückt das Bild vom „bedeutungslosen Weibchen“ beim Artgesang zurecht und zeigt, dass auch die leiseren Stimmen eine entscheidende Rolle spielen können. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen und sich nicht nur auf das Offensichtliche zu konzentrieren. Wer weiß, was wir dabei noch alles entdecken werden.

Quelle

Linda Bistere, Carlos M. Gomez-Guzman, Yirong Xiong & Daniela Vallentin: Female calls promote song learning in male juvenile zebra finches. Nature Communications, online October 16, 2024

Beitragsbild: Zebrafinken von Christoph Moning, CC BY 4.0

von | 27. Okt 2024 | Vogelwissen

aktualisiert:
27. Okt 2024

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ist als „Wissensbuch des Jahres 2024“ nominiert.

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