Heute geht es um Vögel, die furchtbar viele Menschen zu kennen glauben, von denen aber nur die wenigsten wissen, dass sie keine Art sind. Es geht um Tauben.
Und damit mache ich ein ganz schönes Fass auf, denn es gibt fast 350 Taubenarten weltweit. Und die sind ganz schön bunt, vielfältig und manche von denen sind echte Spezialistinnen: die knallbunte Marianen Fruchttaube, die super seltene rosa Rosentaube, die zottelige Kragentaube oder die Jamaika-Erdtaube, die dort lebt wie sie heißt und einen schicken Federschopf an ihrem großen Kopf trägt.
Hier bei uns in Mitteleuropa gibt es fünf Taubenarten. Wenn du eine „Taube“ siehst, ist es also nicht nur eine einfache Taube, sondern eine Ringeltaube, Türkentaube, Stadttaube, Hohltaube und mit ganz viel Glück eine Turteltaube.
Fruchttauben & Feldtauben
Tauben werden grob in zwei Gattungen unterschieden: Die Fruchttauben und die Feldtauben.
Fruchttauben leben vor allem auf Bäumen, da sie, wie der Name schon sagt, sich hauptsächlich von Früchten ernähren. Viele von ihnen haben Kletterfähigkeiten, die an die von Papageien erinnern.
Feldtauben leben in offenen Landschaften, denn dort gibt es die meisten Samen und Körner, ihre Hauptnahrung.
Die Artenvielfalt der Fruchttauben ist viel größer als bei den Feldtauben, dafür ist die Zahl der Individuen je Art bei ihnen deutlich geringer. Hier bei uns können wir eigentlich nur Feldtauben sehen, da Fruchttauben nur in den südlichen Regionen der Welt vorkommen: also in Afrika, dem südlichen Asien, in Australien und auf den Inseln des Pazifischen Ozeans. Die einzelnen Arten sind teilweise so klein, dass sie stark gefährdet sind.
Besonderheiten von Tauben
Aber ein paar gemeinsame Eigenschaften haben alle Tauben, die sie von allen anderen Vögeln unterscheiden:
Alle Tauben füttern ihre Küken mit Kropfmilch. Das ist eine weißliche dickliche Flüssigkeit, die die Eltern ihren Küken direkt aus ihrem Schnabel füttern. Deshalb haben Tauben in der Regel nur zwei Eier im Nest, Fruchttauben sogar meist nur eins. Weil jeweils ein Elternteil für ein Küken zuständig ist, können die Tauben über ihre Kropfmilch nicht mehr Jungvögel ernähren. Außerdem können sie beide Jungen nur zu zweit aufziehen. Aber das ist in der Regel kein Problem, weil Tauben treue Seelen sind. Stirbt allerdings ein Elternteil, wird auch der Jungvogel, für den dieser Elternteil zuständig war, nicht überleben.
Von den Stadttauben wissen wir, dass sie sich ihre elterlichen Pflichten bei der Brut 50/50 aufteilen: Der Tauber sitzt von morgens bis nachmittags auf dem Gelege. Dann löst ihn die Täubin ab und sitzt von nachmittags bis morgens auf dem Gelege.
Tauben können auch trinken, ohne zum Schlucken ihren Kopf heben zu müssen, wie andere Vögel. Sie stecken den Schnabel ins Wasser und saugen es an, was völlig untypisch für das Trinkverhalten von Vögeln ist.
Coole Fähigkeiten von Tauben
Tauben sind überhaupt coole Socken und ziemlich clever.
Aus der Forschung mit Stadttauben wissen wir, dass sie Rechtschreibregeln beherrschen. In einem Test wurde gezeigt, dass sie bis zu 58 Wörter erkennen und von 8.000 Quatschwörtern unterscheiden können.
Sie können außerdem rechnen und sind multitaskingfähig. Letzteres können sie weitaus besser als der Mensch.
Tauben haben auch schon den sogenannten Spiegeltest bestanden, d.h. ihnen wurde ein Punkt auf ihrem Gefieder angebracht, den sie selbst nicht sehen konnten. Bekamen sie dann einen Spiegel hingehalten, entdeckten sie ihn gleich und versuchten ihn sich zu entfernen. Das heißt, sie wussten, dass die Taube im Spiegel sie selbst waren und nicht etwa eine andere Taube. Diesen Test nutzen Forschende, um zu zeigen, dass Tiere eine Bewusstsein von sich selbst haben. Ihn haben bisher auch Elstern, Menschenaffen und Elefanten bestanden.
Tauben haben ein gutes Gedächtnis und können sich bis zu 725 Muster einprägen. Das hilft ihnen, Männer und Frauen voneinander zu unterscheiden und sogar einzelne Personen wiederzuerkennen, auch wenn sie sie nur einmal gesehen haben. Eine besondere Fähigkeit haben sie auch in der Krebserkennung. Eine Testreihe an der University of California hat gezeigt, dass eine Taube Brustkrebs auf einem Röntgenbild mit einer Trefferquote von 85 Prozent entdeckte. Nahm man dazu vier Tauben, erhöhte sich die Trefferquote auf unglaubliche 99 Prozent.
Tauben haben durch die Position ihrer Augen einen 360 Grad-Rundumblick. So können sie sich stets ein detailliertes Bild ihrer Umgebung machen und alles im Blick behalten.
Sie hören auch viel besser als wir. Wir könnnen Geräusche bis zu 16 Hertz hören, Tauben bis zu 0,05 Hertz. Das heißt, sie nehmen weit entferntes Ozeanrauschen wahr oder Mikrobeben im Erdinneren, das wir niemals hören könnten.
Sie haben einen guten Orientierungssinn. Sie orientieren sich an markanten Bauwerken, Flussläufen oder Straßen. Sie nehmen außerdem das Magnetfeld der Erde, Bewegungen im Erdinneren, Meeresrauschen und die Gerüche einer Landschaft wahr. Damit erstellen sie mentale Karten, die ihnen helfen zu navigieren und immer zu ihrer Familie zurückzufinden. Denn ihre Familie ist Tauben sehr wichtig.
Ausgestorbene Taubenarten
Ich habe ja am Anfang schon gesagt, dass es fast 350 Taubenarten weltweit gibt. Mindestens 15 Taubenarten sind in den letzten 500 Jahren aber auch schon ausgestorben, bzw. wurden von Menschen ausgerottet. Die wohl bekanntesten sind der Dodo und die Wandertaube, die beide tragisch-traurige Berühmtheit erlangt haben.
Dodo
Der Dodo war eine etwa truthahngroße Fruchttaube, die nur auf der kleinen Insel Mauritius im Indischen Ozean vorkam. Du kennst ihn vielleicht von deinen Emojis im Handy. Er war flugunfähig und galt den holländische Siedlern (oder soll ich sagen: Eindringlingen) als Inbegriff der vertrauensseeligen Dusseligkeit. Dabei war er einfach nicht an Feinde gewöhnt. Sie töteten ihn aus Spaß, luden ihn als Proviant auf die Schiffe, zerstörten seinen Lebensraum. Die Nester wurden außerdem von Affen, Schweinen und Katzen zerstört, die die Holländer auf die Insel brachten. 1681 wurde der letzte Dodo getötet. Die Europäer hatte für seine Ausrottung nur 80 Jahre gebraucht.
Wandertaube
Während der Dodo nur einen kleinen Lebenraum hatte, war die Wandertaube der häufigste Vogel der Welt. Und auch die haben wir Menschen in wenigen Jahrzehnten ausgerottet. Juhu.
Wandertauben zogen in riesigen Schwären durch Nordamerika. Manchmal taten sich Milliarden von Vögel zusammen und so ein Schwarm verdunkelte auf dem Zug über Stunden und Tage den Himmel. Ihre Zugrouten waren unberechenbar. Sie brüteten und rasteten niemals am selben Platz. So konnte sich kein Fressfeind auf sie einstellen.
Erwachsene Wandertauben wurden von den Indigenen nicht gejagt. Aber die Europäer schafften es, die Wandertauben in nur drei Jahrzehnten von 1870-1900 auszurotten. Sie sahen sie als Gefahr für ihre Ernten. Die Berichte von den Blutbädern, die Menschen unter den Wandertauben anrichteten, sind bestialisch. Zu einem Zeitpunkt gab es so eine Flut an toten Wandertauben, dass die Preise in den Keller fielen und die Leichen durch die Jäger gar nicht mehr eingesammelt wurden. Ihr Fleisch wurde gegessen, ihre Federn füllten die Kissen und in städtischen Jagdclubs dienten gefangene Tiere als lebendige Zielscheiben. Alle Bemühungen staatlicherseits das Morden zu beenden und die Art zu erhalten scheiterten an der Macht der Taubenfängerlobby. Na, kommt uns das noch bekannt vor?
1914 starb die letzte Wandertaube einsam in einem Zoo. Als Schwarmvogel ließen sich Wandertauben nicht in Gefangenschaft züchten.
Unsere fünf Taubenarten
Puh. Dreimal tief durchatmen und zurück zu den Lebenden, für deren Erhalt wir noch kämpfen können. Ich hab ja am Anfang schon gesagt, dass es bei uns fünf Taubenarten gibt. Kennst du sie alle?
Turteltaube
Da gibt es zum einen die Turteltaube. Sie ist die kleinste einheimische Taube und die einzigen Langestreckenzieherinnen unter den europäischen Tauben. Sie zieht bis südlich der Sahara und kommen erst im Mai wieder zu uns nach Mitteleuropa, um zu brüten. Turteltauben wirken sehr bunt, mit ihrer rosa-bläulichen Brust, dem weißen Bauch und den rostbraunen Federdecken.
Sie ist auch die seltenste unserer Tauben. Und obwohl sie auf der roten Liste steht, wird sie noch immer in vielen Ländern bejagt, auch in der EU. Kein Wunder also, dass Turteltauben die Nähe zum Menschen meiden und sie nur sehr selten bei uns zu sehen sind.
Sie sind nach ihrem Ruf „„turrr-turrr-turrr“ benannt.
Türkentaube
Die Türkentaube ist unsere neueste Taubenart. Sie ist von Südosten zu uns eingewandert, wie der Name andeutet. Das Phänomen ihrer Ausbreitung hat unter anderem damit zu tun, dass Jungvögel nie in der Nähe ihrer Eltern bleiben, sondern immer einige hundert Kilometer weiter ziehen und dort heimisch werden.
Sie wirken elegant. Ihr Gefieder ist hell beige grau. Sie hat einen schwarzen Nackenring, der weiß abgesetzt ist. Ihr Ruf ist dreisilbig: »Du KUH, du«.
Die Türkentaube hat außerdem einen Flugruf, der so ähnlich wie das Rufen einer Möwe klingt. Wenn ihr also irgendwo in den Bergen oder in Mitteldeutschland in eurem Garten einen solchen Ruf hört, ist es vermutlich keine verirrte Möwe.
Stadttaube
Die Taubenart, die du garantiert kennst, ist die Stadttaube. Sie ist eine echte Kosmopolitin und in nahzu allen Städten der Welt anzutreffen. Stadttauben sind sehr sozial, haben enge soziale Bindungen und gehen langfristige Paarbeziehungen ein. Leider haben sie bei uns ein großes Imageproblem. Sie werden verachtet, gehasst, verscheucht und viel zu oft mit Füßen getreten. Wir meckern, dass sie unsere Plätze und Häuser verdrecken, in den Bahnhöfen rumlungern und überhaupt ständig im Weg sind. Aber „das Taubenproblem“ in den Städten ist kein Problem für uns, sondern für die Tauben.
Viel zu wenige Menschen wissen, dass Stadttauben keine Wildtiere sind, sondern Nachfahren von Zuchttauben, also Haustieren, für die wir Verantwortung tragen. Wir Menschen haben ihnen einen Brutzwang angezüchtet, weil wir sie als Fleischquelle nutzen wollten, und damit sie uns nicht verlassen, haben wir ihnen die Fähigkeit genommen, sich selbst Futter zu besorgen.
Auch heute noch kommen regelmäßig neue Zuchttauben hinzu: sogenannte „Sport“tauben stranden während angeblicher Wettbewerbe in den Städten und auch verzweifelte Hochzeitstauben schließen sich den Schwärmen an. Sie sind entkräftet, hungrig, desorientiert und verzweifelt, weil sie nicht mehr zurück zu ihren Familien finden. Die Züchter haben kein Interesse mehr an diesen Verlierern und der Verlust der Hochzeitstauben ist von Anfang an eingepreist. Sie werden einfach ihrem Schicksal überlassen. Mega romantisch, ne? Aber zum Glück gibt es immer mehr Menschen, die sich um Stadttauben kümmern.
Stadttauben sind übrigens wunderschöne Tiere und nicht einfach nur grau. Im Sonnenlicht schillert ihr Gefieder am Hals in den verrücktesten Farben: Türkis, Violett, Rot, Smaragdgrün. Die Farben sind auf die besondere Struktur des Gefieders an dieser Stelle zurückzuführen, an der sich das Licht sehr unterschiedlich bricht. Ändert sich die Perspektive durch eine Bewegung der Taube oder von einem selbst, dann nehmen wir ein Schillern wahr. Übrigens ist das Gefieder noch viel farbenprächtiger, als wir es wahrnehmen, denn die Farbwahrnehmung im allgemeinen ist bei uns deutlich weniger ausgeprägt als bei den Vögeln.
Hohltaube
Die vierte Taubenart hast du vielleicht noch nicht gesehen: Hohltauben. Sie legen ihr Eiern in Baumhöhlen, die sie häufig von Spechten übernimmt. Ihr Ruf ist dumpf und zweisilbig rhythmisch „uh-oa – uh-oa“. Du kannst sie auf Waldspaziergängen gut hören. Obwohl sie durchaus auch in Stadtparks vorkommen, sind Hohltauben eher zu hören als zu sehen. Sie sind sehr scheu.
Ihre Gestalt und ihr Gefieder ist einer Stadttaube sehr ähnlich. Ihre Brust ist altrosa und sie hat einen metalisch grün leuchtenden Halsfleck.
Im Winter bilden Hohltauben große Schwärme.
Ringeltaube
Die Ringeltaube ist die größte einheimische Taubenart. Sie war ursprünglich eine Waldbewohnerin, lebt aber jetzt auch vermehrt in Städten. Sie sitzen häufig auf Bäumen und fressen Beeren (sie können sogar ganze Eicheln hinunterschlucken). Damit haben sie Ähnlichkeiten mit Fruchttauben, aber sie gehören zur Gattung der Feldtauben.
Häufig zu sehen und trotzdem immer wieder cool sind die Balzflüge der Männchen. Sie sind wie ein Parabelflug. Die Ringeltauben steigen steil in die Luft und lassen sich zu Boden fallen. Dabei schlagen sie ihre Flügel laut zusammen.
Ringeltauben haben ein blaugraues Gefieder, blassweinrote Brust sowie weiße Flecken an den Halsseiten. Ihr Nacken schillert grün bei entsprechenden Lichtverhältnissen. Ihr Ruf ist fünfsilbig. Am Anfang verwechselt man Türkentauben und Ringeltauben leicht, weil auch beide in der Nähe von uns Menschen leben. Aber wenn du die Silben zählst, bist du auf der sicheren Seite.
Die Ringeltaube ist übrigens eng verwandt mit der Wandertaube. Hoffen wir mal, dass unserer einheimischen Taube ein ähnliches Schicksal erspart bleibt.
Buchtipp: Tauben (Karin Schneider)
Für mich ist dieses Buch eines dieser wertvollen, weltsicht-verändernden Bücher, weil es die eigenen Sicht auf Tauben schärft. Karin Schneider erzählt auf 132 sehr spannend zu lesenden Seiten, wie aus den Heilsbringerinnen Fassadenbeschmutzerinnen wurden und zeigt eindrucksvoll unser ambivalentes Verhältnis zu diesen klugen Vögeln. Es folgen Portraits von elf Taubenarten.
Dieses Buch ist für Vogelinteressierte und Menschen, die offen dafür sind, ihr Weltbild durcheinanderwirbeln zu lassen. Erschienen in der (sowieso empfehlenswerten) Reihe Naturkunden, Matthes & Seitz Berlin, 2021. Die 160 schön gestalteten Seiten gibt’s zum Beispiel bei Amazon* oder bei der lokalen Buchhändlerin deines Vertrauens.
Bald starten wir in eine neue Runde »Endlich Vögel sehen!«, dem Vogel-Onlinekurs für Einsteigerinnen, der dich in 6 Wochen zur Vogelkennerin macht. Dabei lernst du übrigens auch ein paar unserer tollen Taubenarten näher kennen und noch gut 30 andere häufige Arten. Wenn du Interesse an dem Kurs hast, trag dich unbedingt auf → die unverbindliche Warteliste ein. Damit sicherst du dir den besten Preis und ein cooles Überraschungsgeschenk.
Das Headerbild zeigt von links nach rechts eine Stadttaube (Foto von congerdesign), zwei Ringeltauben und eine australische Spinifextaube (Foto von Penny).
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Liebe Silke, vielen Dank für deinen Podcast zum Thema Tauben. Der hat meinen Blick geändert – auf sie im Allgemeinen, darunter das Taubenpärchen im Baum vor unserem Küchenfenster, sowie die Tauben, die die Winterfutterstation immer verbiegen.
Kürzlich habe ich auch eine Radiosendung zum Thema Tauben gehört, da wird auch am Rande von ihren Superkräften berichtet. Nur zur Ergänzung hier der Link: https://www.hr-inforadio.de/podcast/der-tag/kack-image-tauben-sind-besser-als-ihr-ruf,podcast-episode-125190.html
Herzliche Grüße
Oh, wie schön, dass du offen warst und Tauben jetzt ein bisschen anders sehen kannst, Stephanie. Das freut mich sehr! Vielen Dank auch für den Link. Die Sendung kannte ich noch nicht, aber der Titel ist auf jeden Fall super. Ich bin gespannt …
Herzliche Grüße zurück – Silke
Liebe Silke,
ich hoffe, der Podcast war interessant für dich.
Der Fun-Fakt aus deinem Kurs „Endlich Vögel sehen“ zum Thema Buntspecht heute ist für mich, dass Tauben auch in Buntspecht-Höhlen wohnen können. Das stelle ich mir sehr eng vor, wenn ich die Tauben sehe, die regelmäßig auf dem Baum gegenüber brüten. Aber ein witziges Bild löst diese Info in mir aus. 🙂
Fazit: Tauben sind einfach überall.
Liebe Grüße