Ich weiß noch, als ich zum ersten Mal in meinem ersten und bisher einzigen eigenen Auto fuhr: Ich fühlte mich frei, die Welt war plötzlich viel größer, voller neuer Abenteuer und Möglichkeiten. Und ich fühlte mich endlich, endlich erwachsen. Das Gefühl ist geblieben, das Auto ist gegangen. Und da ich dazu so viele Fragen bekomme, gehe ich heute mal der Frage nach, wie Vogelgucken ohne Auto für mich funktioniert.
Leben ohne Auto
2020 habe ich mein Auto verkauft, freiwillig. Mitten in der Corona-Pandemie (im Nachhinein betrachtet war das wohl nicht der klügste Zeitpunkt, aber hey). Seitdem habe ich kein Auto mehr zur freien Verfügung. Zuerst konnte ich immer noch auf ein Carsharing-Auto zugreifen, dass drei Straßen weiter seinen Stammplatz hatte. Damit fuhr ich zu den Bergfinken, mal eben zum Baumarkt und zum Standesamt. Aber eigentlich nutzte ich das Leihauto selten. Meistens fuhr ich Rad und Bahn. Mein Radius veränderte sich. Statt zum Wandern in den Harz zu fahren (weil sind wir mal ehrlich: da kommt man echt nicht cool hin), erkundete ich den Landkreis.
Ich merkte schnell: Nach dem anfänglichen Verlustschmerz und mit ein bisschen guten Willen ist es für mich gar kein Problem, in der Stadt kein eigenes Auto zu haben.
Im letzten Herbst sind wir ans Meer gezogen. Bei der Anmeldung prophezeite uns der Mann im Einwohneramt, wir würden nicht lange ohne Auto auskommen. Und auch wenn es eine ganz schöne Umstellung war, weil die Supermärkte und vor allem die Bau- und Drogeriemärkte weiter weg sind als vorher (honestly, wer plant den einzigen Drogeriemarkt weit und breit, der meine Haarseife hat, ins Industriegebiet?! Klar, jemand mit Auto!) – wir kommen auch hier nur mit Fahrrad gut klar hier. Und zwar mit muskelkraft-betriebenen Fahrrädern ohne Lastenanhänger und Co.
FunFact: Der Bus in unserer neuen Straße fährt öfter als der früher in der Stadt.
Vogelgucken ohne Auto
Wenn ich durchblicken lasse, dass ich kein Auto habe, werde ich oft gefragt, wie ich das mache mit dem Vogelgucken. Zu Fuß käme ich ja schließlich nicht weit. Und grade beim Vogelgucken amüsiert mich diese Frage fast. Denn: Vögel sind überall! Und das ist ja genau die Art von Vogelgucken, für die ich stehe: nicht das Vogelgucken, zu dem wir eine lange Anfahrt haben, sondern das, was wir ganz leicht in unseren Alltag einbauen können.
Zu Fuß komme ich realistisch betrachtet entspannt in einen Umkreis von 5km. Zum Vogelgucken im Alltag reichte mir das locker. Wenn ich dann das Fahrrad hinzunehme, ist mein Radius schon 20km. Wenn ich genug Zeit habe, auch mehr.
Außerdem kann ich beliebig Bus, Bahn und Fahrrad kombinieren, um meinen Radius zu erweitern, wenn ich Sehnsucht nach mehr, nach was anderem habe. Und wenn es ganz hart kommt, so wie bei meinem Besuch bei den Waldrappen oder meinem Ausflug zu den Großtrappen im letzten Jahr, dann leihe ich mir wieder ein Carsharing-Auto.
Ja, mein Radius ist ein anderer als mit Auto, besonders jetzt im Winter. Und besonders bei Gegenwind. Aber für uns ist das normal. Wir planen anders als früher und lernen die unmittelbare Umgebung besser kennen, als wenn wir immer weg könnten. Im Alltag ist mir mein kleiner Radius genug.
Ich habe es schon oft gesagt und ich sage es wieder: Vögel sind überall. Man muss nur lernen, sie wahrzunehmen. Und es gibt keine langweiligen Vögel!
Auch direkt vor der eigenen Haustür kann ich die schönsten Beobachtungen machen, die für mich ganz anders zählen, als fremde Vögel auf einer Stippvisite zu sehen. Meine tierischen Nachbarn werden mir vertraut. Das ist für mich Heimat.
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