Mein Vogelmonat Mai 2023

Mein Mai war so außergewöhnlich toll und voller besonderer Vogelgeschichten, dass ich das unbedingt mit dir teilen will. Also gibt es heute einen Monatsrückblick. Aber was Neues über Vögel lernst du bestimmt auch noch ganz nebenbei.

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Triel

Der Mai 2023 startete mit einer kleinen ornithologischen Sensation in Südniedersachsen: ein Triel. Die gehören zu den Watvögeln, sind so um die 40cm groß und sind gut an ihren großen gelben Augen zu erkennen. Das Spannende: Die gibt es hier bei uns eigentlich nicht. Es war auch der erste Triel, der jemals hier in Südniedersachen gemeldet und dokumentiert wurde. Die hiesige Birder- und Orni-Welt war also in heller Aufregung.

Und ich? Ich hatte einen beruflichen Termin und habe ihn verpasst. Als ich am nächsten Morgen hinradeln konnte, war er nicht mehr da. Aber erstaunlicher Weise fand ich das gar nicht soooo schlimm. Ein bisschen schade, okay, aber geärgert wie so manch andere, die ihn verpasst haben, habe ich mich nicht. Was passiert, passiert. Die Vögel, die da sind, sind immer die richtigen; darauf vertraue ich.

So einen Triel habe ich schon mal gesehen: einen Kaptriel. Der sieht „unserem“ ziemlich ähnlich, wohnt aber im südlichen Afrika. (Dieses Foto stammt von Jeanine Smal ♥)

Birdrace

Am ersten Wochenende im Mai findet traditionell das Birdrace statt und ich war natürlich auch wieder mit meinem Team „Las Divas Spektivas“ am Start. Ich verbrachte einen wunderbarenTag in der Natur, an dem ich nur nach Vögeln schauen durfte. Meine Highlights waren die Rostgänse, die ich abends sah, eine Weißwangengans zwischen lauter Graugänsen und eine gemischte Vogelgäng aus Nilgänsen, Weißstörchen und Rabenkrähen, die einen Fuchs einschüchterten. Und sind wir mal ehrlich: Da hatten sich auch echt mal die Bad Asses der Wiese zusammengetan, mein lieber Scholli! Das war wirklich eindrucksvoll und ich hatte so etwas auch noch nie beobachtet. Wenn du mehr über mein Birdrace erfahren möchtest, habe ich hier noch ausführlicher dazu gebloggt.

Die wunderschönen Rostgänse machen mir immer gute Laune.

Stunde der Gartenvögel

Am Wochenende nach dem Birdrace, also am zweiten Wochenende im Mai, ist Stunde der Gartenvögel. Das ist eine deutschlandweite Aktion, bei der Menschen dazu aufgerufen sind, eine Stunde lang in ihrem Garten oder in einem Stadtpark Vögel zu zählen und sie anschließend zu melden. Das macht immer super viel Spaß und natürlich habe ich auch wieder mitgezählt. 59.000 Vogelbeobachter*innen waren in diesem Jahr dabei.

Leider hat sich der negative Trend einiger Arten aus den letzten Jahren bestätigt. Es wurden insgesamt weniger Vögel gemeldet. Mit durchschnittlich nur etwa 28 Vögeln pro Garten gab es dieses Jahr so wenige Vögel, wie noch nie seit Beginn der Mitmachaktion im Jahr 2006. Ob der negative Trend von draußen vor den Städten jetzt auch in den Siedlungen angekommen ist? Es sieht so aus, denn insbesondere die Gebäudebrüter wie Mauersegler, Rauchschwalbe und Mehlschwalbe sind stark zurückgegangen. Auch die Bestandsbilanz der Feldsperling ist weiterhin negativ. Ein paar gute Nachrichten gibt es aber auch: Ringel- und Türkentauben profitieren offenbar von den sich ändernden Bedingungen – zumindest in den Siedlungen.

Bei Rauchschwalben ist immer Action.

Auch bei uns im Garten war dieser Trend deutlich zu spüren. Bei uns konnte ich die Auswirkungen der Großbaustelle dokumentieren, die seit Monaten rund um unser Haus ist. Fassadendämmung. Für mich ist es nervig, aber für die Vögel ist es eine Katastrophe. Die Sanierung hat vielen Vögeln Brutmöglichkeiten genommen und im Garten ist jeden Tag Lärm und viel Stress, nicht nur unten auf dem Boden, sondern durch das Gerüst auch rund um die verbliebenen Brutbäume. Einige der besten Brutbüsche wurden in einer Schnellaktion noch vor dem Gerüstbau beseitigt.

Es ist still geworden bei uns im Garten. Unsere Spatzengäng ist weg. Die paar Haussperlinge, die noch vor dem Haus rumturnen, gehören so Nachbargängs. Alle meine Versuche, dieses Elend vorab zu verhindern und die Brutplätze der Vögel zu retten, und auch die halbherzigen Vorgaben der Naturschutzbehörde konnten das nicht verhindern. Irgendwann sollen angeblich wieder Nistmöglichkeiten am Haus angebracht werden. Aber für diese Jahr und für unsere Spatzengäng ist es zu spät. Es ist ein trauriges Beispiel für unseren achtlosen Umgang mit Vögeln und der Natur in unseren Siedlungen.

Naturverbindung

Aber es gab zum Glück auch noch mehr Erfreuliches in diesem Monat. Ich mache zurzeit eine Ausbildung zur Naturmentorin bei Wildniswind und lerne so viel Neues über Natur jenseits der Vögel. Und ich probiere viel Neues aus. So habe ich z.B. nicht nur jede Menge Gänseblümchen gefuttert, sondern auch einen Gänseblümchen-Tracker gestartet (mit dem ich mich seit dem ersten April jeden Tag über Gänseblümchen freue), ganz leckere Löwenzahn-Creme gekocht (die auch meine Schwiegereltern aufgegessen haben, obwohl sie pissgrün war) und habe Bärlauchknospen wie Kapern eingelegt (beim nächsten Mal weniger Essig in den Sud). Ich bin jetzt auch öfters im Wald unterwegs, nicht wie sonst fast nur zum Vogelgucken in meinen üblichen Revieren, und entdecke durch meinen veränderten Blick viel Neues in meiner Umgebung.

Sichler

Am 12. Mai gab es schon wieder ein ornithologisches Highlight in Südniedersachsen: Sichler. Sechs Stück sogar.
Sichler gehören wie der Waldrapp zu den Ibisvögeln. Sie haben einen langen, gebogenen Schnabel und lange schlanke Beine. Sie werden auch Brauner Sichler oder Braunsichler genannt, ihr Gefieder ist aber nicht nur braun, sondern schimmert besonders in der Brutzeit grün-blau-lila-grün.

Und von diesen schicken Sichlern hatten sich sechs direkt vor den Toren Göttingens niedergelassen. Das ist schon relativ ungewöhnlich, weil die nächsten Brutgebiete von hier rund um das Mittelmeer sind. Aber so gaaaanz mega sensationell ist ihr Besuch hier nicht. Immer wieder und immer öfter kommen sie auf Streifzügen bis nach Deutschland, die Dürre in ihren Brutgebieten tut ihr übriges.

Ich habe mich mega über diese Besucher gefreut, zumal ich sie, meiner Selbstständigkeit sei dank, zwischendurch für mich ganz alleine hatte. Ich habe sie dann auch abfliegen gesehen und konnte beobachten, wie sie sich dafür langsam in der Thermik in die Höhe schraubten. Das war toll.

Sechs Sichler brachten Mitte Mai ein bisschen Urlaubsflair in die südniedersächsische Provinz.

Meine allerersten Großtrappen

In diesem Monat habe ich mir auch einen Vogelsichtungswunsch erfüllt, den ich schon seit Mitte letzten Jahres in mir trage. Da habe ich nämlich für mein Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ein Interview mit einer Großtrappen-Expertin geführt. Sie hat mir von ihren Schützlingen so sehr vorgeschwärmt, dass ich die auch mal sehen wollte. Und das habe ich!

Am Himmelfahrtswochenende bin ich ins Großtrappengebiet zwischen Magdeburg und Berlin gefahren. Von meiner Interviewpartnerin hatte ich einen ganz tollen Tipp für einen Beobachtungsort bekommen, von dem aus ich die Trappen tatsächlich auch ganz für mich allein hatte. Das hatte ich im Mai nicht erwartet, denn da ist noch Balzzeit für die großen Vögel.

Was sind Großtrappen?

Großtrappen gehören mit zu den schwersten flugfähigen Vögeln weltweit und sie sind wirklich gigantisch. Sie werden auch Märkischer Strauß genannt, sind aber ein bisschen kleiner und kompakter als ihre afrikanischen Namensvettern. Das Coole: Sie sind bei uns heimisch. Heutzutage sind sie aber extrem gefährdet und können nur noch durch intensive Schutzprogramme erhalten werden, bis wir endlich umdenken und vor allem gesellschaftlich anders handeln.

Großtrappen leben eigentlich in streng nach Geschlechtern getrennten Gruppen, aber in der Balzzeit finden sie sich besonders abends zusammen, um sich fortzupflanzen. Sie sind berühmt für ihre Balz. Dafür nutzen sie sogenannte Balzarenen, die seit Generationen immer an denselben Plätzen sind. Dort kann man sie dann gut beobachten.

Es wäre sehr schön, wenn wir alle so tun könnten, als hätte ich hier durchs Spektiv mit meinem Handy ganz, ganz beeindruckende Fotos der Großtrapphähne gemacht, OKAY?!?!!
Da niemand da war, den ich hätte stören können, nutzte ich den Beobachtungsstand als Picknickplatz mit Großtrappaussicht. Und sind wir ehrlich: Höchstwahrscheinlich war das der allerallerbeste Picknickplatz des Jahres.

Im Großtrappland

Da ich ziemlich spät in der Saison da war, erinnerte mich die Szenerie ein bisschen an die ersten paar Minuten von Pretty Woman, weil die Großtrappenhähne da so auf und ab stolzierten, sich anpriesen, ihre Vorzüge hervorhoben und einen auf dicke Hose machten. Sie warteten dort auf Weibchen, die bereit waren, sich mit ihnen zu paaren. Wenn die in der Nähe waren, ging die Show erst richtig los. Viele der Weibchen haben zwar inzwischen schon dankend abgewunken und sind mit brüten beschäftigt, aber ein paar wenige sah ich doch noch zwischen den Hähnen herumschleichen. Großes Kino.

Aber ich freut mich nicht nur über meine ersten Großtrappen, die ich an jedem meiner märkischen Abende ganz in Ruhe beobachten durfte, sondern auch über Pirole, von denen ich zu Hause viel zu wenige höre. Durch einen Geheimtipp meiner Birdrace-Teamkollegin und Co-Diva Julia traf ich außerdem noch Bienenfresser, bei denen ich sogar die Bruthöhlen sehen konnte und die ich wieder ganz für mich allein hatte. Ich sage zwar immer, dass alle Vögel gleich toll sind – und das sind sie ja auch! – aber die Bienenfresser sind mir diesmal so tief ins Herz gesegelt wie lange kein Vogel mehr.

Da konnten auch die 200 Überraschungskraniche nicht mithalten, die bei einer meiner Wanderungen plötzlich vor mir auf der Wiese standen. Aber super war das natürlich trotzdem! Oder all die Gelbspötter, die ich singen sah und hörte. Oder der Fischadler, der über den Elbauen seine Kreise zog und über den ich mich auch sehr gefreut habe. Es war jedenfalls ein fabelhafter Kurzurlaub!

Pfeilschnell schossen die Bienenfresser mir direkt ins Herz.
Ein Pirol. Als Kind habe ich von diesem Vogel geträumt, heute weiß ich, wo ich ihn finden kann.
Plötzlich standen da auf der Wiese so um die 200 Kraniche vor mir. Zappalott!

Die Hybridente

Kurz vor Monatende hatte ich am letzten Wochenende noch eine coole Vogelbegegnung, nämlich einen besonders schicken Entenhybriden, also seine Mischente. Eigentlich paaren sich Vögel ja nur mit Artgenoss*innen. Bei den Enten kommen aber vergleichweise häufig Mischformen vor. Dazu vielleicht mal an anderer Stelle mehr, erstmal nur so viel: Hybridenten sind ziemlich schwer zu bestimmen. Aber ich hatte Glück und ein Experte half mir. Außerdem hat er mir auch gleich erklärt, worauf ich beim nächsten Mal selbst achten kann und das ist wirklich cool. Statt beim nächsten Mal nur wie bisher sagen zu müssen: „ähm, irgendwas-Hybrid“, kann ich dann ein bisschen Sherlock spielen und komme vielleicht selbst drauf, was drin steckt. Ich liebe es, Rätsel zu lösen und freue mich sehr auf das nächste Hybridgeheimnis, das mir über den Weg schwimmt.

Meine Hybridente vom letzten Wochenende war übrigens eine Mischung aus einer Krickente und einer Reiherente:

Ich hatte Hilfe beim Deduzieren und deshalb können wir sicher sein: Es ist ein Krickenten-Reiherenten-Hybrid

Und sonst so?

Im Mai habe ich auch endlich mal wieder zwei Rebhühner gesehen. Da ich die so selten sehe, habe ich mich darüber besonders gefreut.

Letztes Wochenende habe ich auch sehr, sehr lange zuckersüße Teichhuhnküken beobachtet, die im und auf dem Wasser rumgeflitzt sind. Ich glaube, am Anfang meiner Vogelkarriere war ich unentschlossen, ob sie hässlich sind oder nicht. Heute finde ich diese Frage völlig überflüssig. Muss man immer alles bewerten? Ja, okay, ich weiß, das mache ich hier ständig, vor allem bewerte ich Vögel positiv. Aber wie verkommen muss ich gewesen sein, um Küken als hässlich abstempeln zu wollen? Und hab ich damals wirklich nicht wahrgenommen, wie absolut niedlich die über Seerosenblätter wetzen können? Gut, dass ich heute weiser bin, tse.

Außerdem konnte ich noch eine Art in meine Jahresliste 2023 eintragen: Schwanzmeise. Endlich. Ich weiß auch nicht, wo die sich die ganze Zeit rumgetrieben hat. Dort, wo ich in diesem Jahr bisher war, jedenfalls nicht. Aber jetzt! Damit habe ich nach den ersten fünf Monaten schon mehr Arten auf meiner Jahresliste als im ganzen letzten Jahr zusammen. Das interessiert zwar niemanden, finde ich aber doch erstaunlich.

Update zu meinem Buch

Ansonsten kann ich noch berichten, dass im Mai auch der erste Korrekturlauf für mein Vogelbuch war. Es wird also ernst, aus meinen Sätzen und den tollen Zeichnungen von Véro Mischitz wird langsam ein Buch und wir befinden uns im Endspurt. Wenn alles nach Plan geht, wird „Die Superkräfte der Vögel“ am 20. September im Kosmos-Verlag erscheinen. Du kannst es bereits jetzt im Buchhandel vorbestellen (ISBN: 978-3-440-17670-2) oder ganz autorinnenfreundlich in der Autorenwelt und dann hast du es blitzschnell, sobald es endlich da ist.

Was waren deine Vogel-Highlights im Mai? Erzähl doch mal:

Der schicke Kaptriel stammt von Jeanine Smal via Pixabay. Danke ♥

von | 2. Jun 2023 | Podcast, Rückblick

aktualisiert:
28. Feb 2024

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon in ihrer Kindheit interessierte sich Silke Hartmann für Vögel. Allerdings kannte sie niemanden, die oder der ihr diese Wunderwelt hätte zeigen können. So hat sie sich im Laufe der Zeit selbst beigebracht, Vögel zu sehen. Je mehr sie beobachtete und aus Büchern lernte, desto mehr begeisterte sie sich für Vögel und ihre Superkräfte. Sie bemerkte aber auch, wie schwer es für viele Vogelarten inzwischen ist, zu überleben. Deshalb gibt sie ihr Wissen jetzt als „die Vogelguckerin“ u.a. in Kursen, Büchern und ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“ weiter, weil sie weiß, dass die Welt zu einem besseren Ort wird, wenn sich mehr Menschen für Vögel begeistern.

Moin, ich bin Silke,

wie schön, dass du da bist! Hier berichte ich dir Wunderbares und Wundersames über Vögel und ihre Welt. Außerdem erfährst du, wie du anfängst, sie schnell selbst zu sehen und immer besser darin wirst. Komm mit auf die Reise!

Mein neues KOSMOS-Buch: „Die Superkräfte der Vögel“

MDR-Doku: „Das Geheimnis der Vögel“

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