Graugans: die soziale Riesin

Graugänse sind die häufigste Gänseart in Europa. Schon seit Nils Holgerson wissen wir, dass Gänse zweimal im Jahr unterwegs sind. Allerdings ziehen Graugänse nicht so weit, wie beispielsweise Kraniche. Viele von ihnen ziehen nur kurze Strecken oder sind gar Standvögel. Da sie inzwischen in ganz Deutschland anzutreffen sind, lohnt es sich, mehr über diesen Riesenvogel zu erfahren.

Familientiere

Graugänse sind sehr sozial und pflegen ein intensives Familienleben. Außer zur Brutsaison leben Graugänse in Schwärmen, in denen sich viele enge Familienmitglieder befinden.

Grauganspaare finden bereits vor ihrer ersten Brutsaison zueinander und bleiben in der Regel monogam zusammen, bis dass der Tod sie scheidet. Die Weibchen brüten zwar alleine, aber der Gänserich bleibt immer in der Nähe. Um die Aufzucht der kleinen Entenküken (auch Gössel genannt) kümmern sie sich gemeinsam, wobei die Mutter immer voraus schwimmt und Papa die Nachhut bildet. Auch die Geschwister aus dem Vorjahr helfen bei der Aufzucht des neuen Nachwuchses. Der Graugansvater ist für die Verteidigung der kleinen Gössel zuständig, also Obacht.

Echtes Wildtier?

Graugänse sind die wilden Vorfahren unserer Hausgans. Der Grauganspopulation ging es allerdings lange gar nicht gut, u.a. weil sie stark bejagt wurden. Anfang der 1970er Jahre gab es nur noch 20.000 Tiere in ganz Europa. In Deutschland beschränkte sich ihr natürliches Vorkommen auf Nord- und Ostdeutschland. Seitdem hat sich viel verändert und der Bestand der Graugänse hat sich erholt. Das liegt u.a. daran, dass der Jagddruck abgenommen hat und dass Graugänse aus Gefangenschaft entkamen oder ausgewildert wurden. Der Anteil der Nachkommen von Gefangenschaftsflüchtlingen und ausgewilderten Individuuen ist heute so groß, dass manche Menschen unken, die Graugans sei gar keine echte Wildgans mehr.

Forschungspioniere

Zu Weltruhm brachten es die Graugänse als eine der ersten Untersuchungsobjekte der Verhaltensbiologie. Dabei beobachten Wissenschaftler:innen gezielt das Verhalten von Tieren, zeichnen es auf und vergleichen es mit anderen Tieren. Aus den gemachten Beobachtungen ziehen sie Schlüsse, wie zum Beispiel über die Intelligenz, die Psychologie oder erlerntes bzw. angeborenes Verhalten von Tieren. Konrad Lorenz, einer der Begründer der Verhaltensbiologie, beobachtete jahrelang Graugänse.

Geprägt

Frisch geschlüpft, müssen Gänseküken erst lernen, wer ihre Mutter ist. Dabei halten sie sich an Objekte, die sich bewegen und Laute von sich geben, die sie schon zuvor im Ei gehört haben. Diesen Objekten, sei es nun eine Graugans, ein Mensch oder auch ein Fußball, der sich bewegt und Geräusche macht, folgen die Küken bedingungslos.

Dieses Prägungsverhalten war einer der Hauptentdeckungen von Lorenz. Er zog die Graugänse selbst auf. Auf ihn geprägt folgten sie ihm, wohin er auch ging, selbst in sein Schlafzimmer. Berühmt geworden sind die Bilder eines alten schwimmenden Mannes, hinter dem eine Gruppe von Graugänsen schwimmt.

Verwechslungsgefahr

Graugans scheint manchmal ein Sammelbegriff für Gänse allgemein zu sein. Häufig werden daher Saat- oder Blessgänse zu Graugänsen gemacht, die natürlich keine sind – auch wenn sie sich tatsächlich ähnlich sehen.

Mit ein bisschen Vorwissen und Übung ist das aber kein Problem: Graugänse sind die größten Gänse in Europa. Im Gegensatz zu allen anderen Gänsen ist ihre Flügelunterseite zweifarbig. Ihr Schnabel ist kräftig und durchgehend orange und nicht mit einem weißen Ansatz, wie bei der Blessgans, oder schwarz mit einem orangen Flecken, wie bei der Saatgans.

Beobachtungstipp

Graugänse sind inzwischen deutschlandweit am Wasser anzutreffen, also in Parks, an Flüssen und Seen oder an der Küste. Sie sind auch gerne auf Feldern und Weiden in der Nähe dieser Feuchtgebiete unterwegs.

Weibchen und Männchen sehen relativ gleich aus, und auch ihr Gefieder ändert sich im Jahresverlauf nicht, so dass man sich nur eine Variation einprägen muss.

Da sie so groß und häufig auch laut sind, kann man Graugänse gut entdecken. Besonders wenn sie im Wasser sind, ist auch immer etwas los, so dass sie prima Beobachtungsobjekte sind.

von | 22. Nov 2020 | Vogelwissen

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