Die Vogelwelt ist voller wundervoller und wundersamer Namen und Spezialbegriffe. Diese Wörter muss man natürlich nicht alle kennen, aber ich finde, dass viele von ihnen schön sind und es Spaß macht, sie zu kennen. Hier liste ich dir deshalb einige von ihnen auf, um für dich ein bisschen Licht in das Dickicht des Fachchinesisch der Ornithologie zu bringen und dich an meinem Staunen teilhaben zu lassen.
➡️ Diese Sammlung werde ich stetig erweitern. Wenn du Vorschläge hast für tolle Vogel-Wörter, die hier noch fehlen, schreib es mir gerne unten in die Kommentare. ⬇️
A
adult
Adult bedeutet erwachsen, geschlechtsreif. Bei Vögeln bezieht sich dieser Ausdruck oft auf das Gefieder. Erwachsen beschreibt nämlich keinen physischen Wachstumsprozess, sondern eher einen Umfärbungsprozess. Die meisten Vogelarten sind körperlich bereits ausgewachsen, wenn sie das Nest verlassen oder flügge werden. Sie tragen jedoch noch ein anders gefärbtes Federkleid. Adulte Vögel sind Individuen, deren Färbung unverändert bleibt. Sie werden daher auch als „ausgefärbt“ bezeichnet. Bei manchen Vogelarten, zum Beispiel bei vielen Großmöwen und Greifvögeln, wird das adulte Federkleid oft erst nach mehreren Jahren erreicht. Adulte Vögel können trotzdem zur Brutzeit die Gefiederfarbe wechseln (→Saisondimorphismus). Es ist kompliziert …
Ästling
Das Wort Ästling bezeichnet noch nicht flügge gewordene Jungvögel, die Nester und Bruthöhlen zwar bereits verlassen können, die jedoch noch von ihren Eltern weitergefüttert werden. Wie du sie sicher erkennst, erkläre ich hier ausführlicher.
Avifauna
Die Avifauna sind alle in einer konkreten Region vorkommenden Vogelarten. Das Wort setzt sich zusammen aus den lateinischen Wörtern avis „Vogel“ und Fauna „Tierwelt“. (vgl. auch →Ornis)
Avifaunistin
Avifaunistin: Expertin für die Vögel einer bestimmten Region
B
Brutfleck
Der Brutfleck (area incubationis) ist eine kleingefiederfreie Stelle am Vorderbauch von brütenden Vögeln, die äußerst gut durchblutet ist. Sie ermöglicht eine optimale Übertragung von Körperwärme auf die Eier. Die kahle Hautstelle ist in der Regel vom Großgefieder verdeckt.
D
Dimorphismus
Dimorphismus: Zweigestaltigkeit, unterschiedliches Aussehen innerhalb einer Art – z. B. wenn Weibchen und Männchen ganz anders aussehen
E
einemsen
einemsen: das Gefieder mit Insekten berühren, vermutlich um mit dem Sekret Parasiten zu vertreiben und das Gefieder zu pflegen
F
Fäkalsack
Fäkalsack, auch Kotsack oder Kotballen, manchmal auch Kotbeutel genannt, ist die mit einer Membran überzogene Ausscheidung eines Jungvogels, der noch im Nest sitzt.
Finkenschwarm
Finkenschwarm: Eine große Gruppe aus verschiedenen Vogelarten, die sich im Winter zur Nahrungssuche zusammentun. Oft sind Buchfinken, Feldsperlinge, Stieglitze, Goldammern und Bergfinken dabei.
Fittiche
Fittiche: Flügel; wird besonders dann verwendet, wenn Jungvögel mit den Flügeln beschützt werden (→hudern)
flügge
flügge: wenn Jungvögel so weit entwickelt sind, dass sie das Nest verlassen und fliegen lernen
G
Gewölle
Gewölle: die Klumpen von unverdaulichen Nahrungsresten (wie Haaren, Federn, Knochen), die besonders Eulen und Greifvögel herauswürgen
Gössel
Gössel: Gänseküken
gründeln
gründeln (Verb): am Grund von Gewässern nach Wasserpflanzen oder kleinen Wassertieren suchen, ohne dabei zu tauchen („Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh“). Nicht alle Wasservögel gründeln, aber besonders Stockenten und Höckerschwäne kann man gut dabei beobachten.
H
hudern
hudern (Verb): Nestlinge unter die →Fittiche nehmen, um sie vor Witterungseinflüssen zu schützen
auch: im Sand baden
J
Jugendkleid
Das Jugendkleid beschreibt die Gefiederfärbung der Jungvögel. Sie tragen es vom Ausfliegen aus dem Nest bis zur ersten Mauser und sind daran als juvenil/jugendlich zu erkennen. Es wird auch Juvenilkleid genannt.
juvenil
Juvenil bedeutet jugendlich, heranwachsend, nicht erwachsen. Es beschreibt die Phase bis zur Geschlechtsreife. Juvenile Vögel sind meist am Jugendkleid zu erkennen.
K
Kindchenschema
Kindchenschema: biologischer Reflex. Um unser Schutz- und Fürsorgeverhalten zu wecken, finden wir Menschen runde Gesichter, große, runde Augen und kurze Gliedmaßen niedlich. Auch bei Vögeln, deren Aussehen dem Kindchenschema folgt, reagieren wir Menschen besonders positiv, wie zum Beispiel bei Rotkehlchen.
Kloake
Kloake, die: ein gemeinsamer Körperausgang für die Produkte des Darms, der Harnblase und der Geschlechtsorgane.
Kükenflut
Sommersturmflut, bei der das Wasser kommt, wenn die Bodenbrüter an der Küste auf den Eiern sitzen und brüten oder die Küken grade geschlüpft sind. Die Nester werden weggespült, die Küken ertrinken. Daher werden diese Fluten auch Kükenfluten genannt.
L
lifer
lifer: Lifer beschreibt (besonders unter englischsprachigen Birdern) einen Vogel, den man zum allerersten mal sieht, also eine Erstsichtung
Limikole
Limikole ist ein anderes Wort für Watvogel. Es klingt nicht nur schlauer, sondern auch mehr nach dem leichtfüssigen Trippeln und Tanzen, das für diese Vogelgruppe typisch ist. „Wat“vogel klingt eher nach schwerfälligem Mit-Gummistiefeln-im-Matsch-Versinken.
M
Mauser
Mauser ist die Zeit, in der ein Vogel sein Gefieder wechselt
mausern
mausern: das Gefiedern wechseln
N
Nestling
Nestling: Jungvögel/Küken, die noch im Nest sitzen, und dort von ihren Eltern versorgt werden. Wie du sie sicher erkennst, erkläre ich hier ausführlicher.
O
Ornis
Ornis: ist das griechische Wort für Vogel und bezeichnet allgemein die Gesamtheit der Vögel einer Landschaft (vgl. →Avifauna).
Auch Vogelbegeisterte bezeichnen sich selbst manchmal als Ornis (abgeleitet von Ornithologin oder Ornithologe).
P
Prachtkleid
Das Prachtkleid beschreibt die auffallendere, buntere Gefiederfärbung zur Balz- und Brutzeit.
Pullus, Pulli
Pullus: ein Dunenjunges, ein Jungvogel im ersten Federkleid. Plural: Pulli
S
Saisondimorphismus
Saisondimorphismus beschreibt das saisonale Auftreten von zwei deutlich verschiedenen Erscheinungsformen bei einer Art. In der Regel ist bei Vögeln damit das →Prachtkleid und das →Schlichtkleid gemeint.
Schachtelbrut
Schachtelbrut: Das Weibchen legt die Eier des zweiten Geleges, noch bevor die Jungen der ersten Brut flügge sind. Die Jungen der ersten Brut werden vom Männchen weiterversorgt. So eine Schachtelbrut gibt es zum Beispiel bei Amseln und Wintergoldhähnchen.
Schlichtkleid
Das Schlichtkleid wird auch Ruhe- oder Winterkleid genannt. Es beschreibt die Gefiederfärbung außerhalb der Brutzeit.
Sitzwarte
Die Sitzwarte ist eine erhöhte Position, von der aus ein Vogel Ausschau nach seiner Beute hält. Je nach Größe des Vogels kann das ein Zaunpfahl, eine Staude, ein Ast oder auch ein Telefonmast sein.
subadult
Subadulte Vögel oder einfach nur Subadulte sind Vögel, die noch nicht geschlechtsreif sind. Häufig sind sie im Vorjahr geschlüpft.
T
Terzel
Terzel: männlicher Falke
Umkehrzug
Das Wort Umkehrzug beschreibt ein Phänomen des Vogelzugs, wenn Vögel umkehren und kurzzeitig wieder in die Richtung ziehen aus der sie kommen. Ausgelöst wird der Umkehrzug durch sich verschlechternde Wetterbedingungen wie Schnee, Regen oder Kälteeinbrüche.
W
wöllen
wöllen (Verb): das →Gewölle herauswürgen
Z
Zugfaulheit
Zugfaulheit beschreibt das Phänomen, dass Zugvögel nicht mehr verlässlich ziehen und einzelne Vögel den Winter bei uns verbringen (wie zum Beispiel Kraniche oder Weißstörche). Da das aber nicht aus Faulheit geschieht, sondern ganz schön clever ist, sollte es eher Zugschlauheit genannt werden.
Zugopportunist
Zugopportunisten sind Vögel, die je nach Wetterlage und dem Vorhandensein von Futter entscheiden, ob sie ziehen oder nicht.
Zugstau
Ein Zugstau entsteht, wenn Vögel auf dem Zug durch sich drehende Winde, Regen oder Schnee zum Rasten gezwungen werden. In geeigneten Lebensräumen sind dann plötzlich sehr viele Vogelindividuuen zu beobachten, die über Nacht wieder verschwunden sein können, wenn sich die Wetterbedingungen ändern. Dieser Zwischenstopp ist aber oft gefährlich für die Vögel, weil sie ggf. nicht genug Nahrung finden, zu viel Energie verbrauchen, geschwächt sind und leicht Opfer von Prädatoren werden. Besonders auf dem Rückzug in die Brutgebiete kann sich so ein ungewollter Zwischenstopp negativ auf die ganze Brutsaison auswirken.
Zugunruhe
Zugunruhe bezeichnet die erhöhte Aktivität von Zugvögeln in den Tagen unmittelbar vor ihrem Aufbruch in die Sommer- bzw. Winterquartiere. Besonders auffällig ist die Zugunruhe bei Nachtziehern, die eigentlich tagaktiv sind. Sie sind dann auch mal die ganze Nacht aktiv und grooven sich auf die große Reise ein.
Hey Silke,
das ist ja eine tolle Liste! Ich wurde neulich gefragt, was ein „Schlichtkleid“ bei Vögeln sei. Da ist mir wieder aufgefallen, wie fremd solche für mich ganz normal gewordenen Begriffe für andere sind ;-).
Außerdem fallen mir noch ein: Zugdruck, adult, juvenil, Nestflüchtling, Zugkorridor, „hassen“ bei Greifvögeln
(benutzt man das noch?), Sprungzug, Instrumentallaut, Bürzel …
Liebe Grüße
Moin Andrea,
das sind ja ganz fabelhafte Ergänzungen. Vielen Dank dafür! Ich staune auch immer wieder, wie „betriebsblind“ ich bin. Vom Schlichtkleid komme ich gleich noch auf das Jugendkleid und das Adultkleid und natürlich das Prachtkleid und … Dann bin ich ja erstmal beschäftigt. Zugdruck finde ich ganz besonders schön. Und den Zugstau natürlich auch, ach du Alarm!
Liebe Grüße zurück <3