Turmfalken begegnen uns im Alltag häufig und sind mit etwas Übung recht einfach zu erkennen. Als Kulturfolger leben sie auch mitten in unseren Städten und Dörfern und brüten häufig in Kirchtürmen. Sie werden daher auch Dom- oder Kirchfalken genannt. Und: Turmfalken haben geheime Superkräfte. Höchste Zeit also, diesen Alltagsbegleiter näher kennenzulernen:
Verwandtschaft
Um es gleich zu Anfang kompliziert zu machen: Der Turmfalke ist gar kein Greifvogel, kein echter zumindest. Umgangssprachlich werden Falken zwar oft als Greifvögel bezeichnet, weil Greifvogel die zeitgemäße Bezeichnung für das veraltete Wort Raubvogel ist. So gesehen ist es also richtig, Greifvogel zu sagen, denn Falken gehören zu den fliegenden Beutegreifern.
Systematisch betrachtet bilden Falken aber eine eigene Ordnung: die der Falken. Und diese ist viel näher mit Papageien und Sperlingsvögeln verwandt als mit echten Greifvögeln wie Adlern und Habichten.
Rüttelmeister
Der Turmfalke kann wie ein Helikopter auf der Stelle fliegen. Das nennt man „rütteln“. Er schlägt dabei schnell mit den Flügel und öffnet seinen Schwanz wie einen Fächer. Seinen Kopf hält er still, so dass er seine Beute auf dem Boden fixieren kann. In manchen Gegenden trägt der Falke daher auch den Namen „Rüttelfalke„.
Achtung: Auch andere Greifvögel, deren Beute sich am Boden befindet, können rütteln. Du kannst daher auch mal einen Mäusebussard oder einen Rotmilan rütteln sehen. Beide sind aber viel größer und nicht ganz so talentiert wie der Turmfalke.
Turmfalke im Rüttelflug Turmfalke im Rüttelflug
Spurenleser
Die Hauptbeute von Turmfalken sind Wühlmäuse, also Erd- und Feldmäuse. Um diese Tiere im hohen Gras zu entdecken, haben Turmfalken eine besondere Superkraft: Sie sehen Pipi-Spuren leuchten. Turmfalken können nämlich die ultravioletten Farbanteile im Urin der Mäuse wahrnehmen und spüren ihre Beute auf, indem sie einfach den Spuren der Mäuse folgen. Clever, wa?
Nachbarn
Viele Turmfalken leben in der Stadt. Hier futtern sie übrigens hauptsächlich Haussperlinge und andere Kleinvögel. Und sie brüten gerne in Kirchtürmen oder in ausrangierten Nestern anderer Vögel.
Letzten Sommer hatte ein Turmfalkenpärchen ein von Krähen verlassenes Nest in einer Birke etwa 100 Meter von meinem Balkon bezogen. Das war super! Ständig segelten die Elternvögel um die Dachgiebel unseres Viertels, um in den Gärten und Hinterhöfen zu jagen. Die Jungvögel waren in der Zwischenzeit mit Flugübungen und Notlandungen im benachbarten Baum beschäftigt. Ein tolles Unterhaltungsprogramm!
Wendehals
Der Turmfalke kann, wie alle anderen Falkenarten, seinen Kopf um 180 Grad drehen. Das ist praktisch, wenn man Ausschau nach Pipi-Spuren hält und gleichzeitig den übermütigen Nachwuchs im Auge behalten muss.

Wunschgeschlecht
Paare, die früh in der Saison brüten, haben meistens männlichen Nachwuchs und solche, die spät brüten, häufig weiblichen Nachwuchs. Das klingt ein bisschen wie all die tollen Tipps, die es bei Menschen gibt, um das Geschlecht der lieben Kleinen zu beeinflussen, aber bei diesen Vögeln funktioniert es wirklich. Warum das so ist, hat die Wissenschaft allerdings noch nicht herausgefunden.
Mit diesem Wissen tippte ich bei meinem Turmfalken-Pärchen übrigens auf männlichen Nachwuchs.
Zweigestaltigkeit
Weibchen und Männchen kann man bei erwachsenen Turmfalken gut auseinanderhalten: Der Kopf und die Schwanzfedern des Männchens sind grau, wohingegen das Weibchen durchgehend rotbraun gefärbt ist. Außerdem sind die Weibchen, wie bei den meisten Greifvögeln, etwas größer als die Männchen. Easy.
Das schlaue Wort für Zweigestaltigkeit ist übrigens Dimorphismus.
Anfängerfreund
Turmfalken sind weit verbreitet, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land zu finden und spätestens an ihrem charakteristischen Rüttelflug gut zu erkennen. Sie sind also Vögel, über die man sich auch schon am Anfang einer Birding-Karriere leicht und oft freuen kann.
Aber Achtung: Die eben beschriebenen Unterscheidungsmerkmale zwischen Männchen und Weibchen klingen super; dummerweise sieht man den Größenunterschied der Geschlechter am Anfang einer Birding-Karriere nur, wenn beide nebeneinander sitzen. Und die Farbe des Kopfgefieders zu erkennen ist zwar Birder Level eins, allerdings haben die Diesjährigen, also die Jungfalken, auch einen braunen Kopf … Aber wer will das zu Anfang schon so genau wissen 😉 ?

Also los geht’s: Ab nach draußen und Augen auf! Probiere dein neues Wissen gleich mal aus und guck, wie viele Turmfalken du zu Gesicht bekommst. Oder falls heute schlechtes Wetter sein sollte, übe doch einfach mit unseren Fotos hier: Welche zeigen Weibchen, welche Männchen?
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