Der Bergfink, ein cooler Globetrotter

Ich erinnere mich noch an meinen allerersten Bergfinken. Ich traf ihn an einem ganz besonderen Morgen: dem ersten Morgen meiner ersten großen Solo-Trekking-Tour in Schwedisch Lappland. Es war ein klarer, kühler, verheißungsvoller Morgen. Ich war schon aus meinem Zelt gekrochen, saß auf einem großen Stein und aß grade mein Frühstück. Dabei schaute ich auf den Fluss, der unten im Tal rauschte und sich in einiger Entfernung in den Akkajaure ergoss. Und ich freute mich auf die zwei menschenarmen und straßenlosen Woche, die in der schwedischen Weite vor mir lagen. In meinem Rücken waren die schneebedeckten Fjällhänge des Akkamassivs. In die Birke neben mir setzte sich ein Bergfinkmännchen. Und obwohl ich damals noch nicht die Vogelguckerin war, wusste ich sofort seinen Namen.

Seitdem trägt jedes Wiedersehen mit einem Bergfinken eine Sehnsucht nach Lappland und einen Gruß vom schwedischen Fjäll mit sich.

Bergfinken Basiswissen

Der Bergfink brütet zwar im hohen Norden, aber auch bei uns ist er zu treffen. Denn er ist ein Wintergast bei uns, auffällig und erfreulich häufig. Er futtert sich auch gerne mal an einer Vogelsnackbar im mitteleuropäischen Garten durch, so dass du ihn dort ganz entspannt beobachten kannst.

Aussehen

Bergfinken erinnern ein bisschen an Buchfinken, mit denen sie auch verwandt sind. Das Männchen hat im Prachtkleid einen glänzenden, blauschwarzen Kopf. Wenn es bei uns ist, ist sein Kopf eher so ein ein bisschen grau-braun gescheckt. Seine Kehle, Brust und Schultern sind orange gefärbt. Beim Weibchen ist der Kopf eher bräunlich-beige mit dunkle Streifen auf dem Oberkopf. Das Orange ist ein bisschen gedeckter.

Auffällig ist bei allen Bergfinken auch ihr heller Bauch, an dem du sie prima von Buchfinken unterscheiden kannst. Im Winter ist der Schnabel bei beiden Geschlechtern gelb mit einer schwarzen Spitze, während das erwachsene Männchen im Sommerkleid einen schwarzen Schnabel hat.

Verbreitung

Der Bergfink grenzt an das Verbreitungsgebiet des Buchfinken an und ist in der Brutzeit in den Wäldern Nordeuropas und im Osten der Paläarktis weit verbreitet. Er mag Birkenwälder, aber auch Nadelbäume, und ist von Norwegen über Schweden, Finnland, das nördliche und mittlere Russland bis nach Kamtschatka zu Hause. Nur in Ausnahmefällen brüten Bergfinken auch in Mitteleuropa.

In seinem Verbreitungsgebiet ist der Bergfink neben dem Fitis der häufigste Brutvogel. Während der Zugzeit verlässt er sein Brutgebiet vollständig. Er ist dann in Mitteleuropa in den verschiedensten Lebensräumen anzutreffen, aber vor allem in Wäldern mit Buchenbeständen oder in der Nähe davon.

Ernährung

Ähnlich wie der Buchfink lebt auch der Bergfink während der Sommerzeit von Insekten und Wirbellosen. Im Winterhalbjahr frisst er vor allem Sämereien, wobei Bucheckern darunter einen großen Anteil ausmachen.

Stimme

Sein Gesang ist eher unoriginell und ähnelt einem sekundenlangen, geraden Summton oder einer kleinen Kreissäge in der Ferne. Sein klangvoller Ruf ist unverwechselbar und hat einen nasal krächzenden Charakter.

Bergfink-Weibchen und -Männchen beim Winterurlaub an der deutschen Nordseeküste

Die vielen Namen des Bergfinks

Der Bergfink hat viele tolle Namen. Im Deutschen wird er passenderweise auch Nordfink genannt.

Sein lateinischer Name ist Fringilla montifringilla, das heißt so ungefähr Fink der Berge bzw. Bergfink. Er hat aber gar keine besondere Vorliebe für die Berge und wurde verwirrenderweise wohl auch mal Talfink genannt. Was genauso passend ist.

In Schweden heißt er auch Bergfink, wird aber auch Hechtfink oder Hechtspatz genannt, weil seine Rückkehr im Frühjahr mit dem Laichen des Hechts zusammenfällt. In anderen Regionen wird er auch Hasensperling genannt, weil mit seiner Ankunft auch die Kampf- und Paarungszeit der Hasen beginnt.

Um Göteburg herum heißt er auch Rostbuchfink (und das erklärt sich ja wohl von selbst). In anderen Gebieten wird er auch „Bellender Vogel“ oder Ziegenbock genannt.

Einige Sami glaubten, dass sie am Lied des Bergfinkens erkennen könnten, wo sich ein Bär aufhält. Es gibt in vielen schwedischen Regionen außerdem Bauernregeln, die dem Bergfinken unterstellen, dass er in der Lage sei, das Wetter vorherzusagen. Je nach Region wird es entweder kalt, stürmisch oder regnerisch, wenn er ruft. Nicht so prima Aussichten.

Für die Stimme des Bergfinken ist ein langgezogener Quäk-Laut charakteristisch, welcher dem Vogel auch den Namen Quecker verschafft hat. In Bayern lautet der entsprechende lautmalerische Name Gegler. In der Südpfalz wird der Bergfink auch Böhämmer oder Behemmer genannt (eine Ableitung von Böhmen), eine Bezeichnung für Zugvögel, die dort als Vagabunden unter den Vögeln angesehen werden. Ein Name also, der gerne verschwinden darf.

Der kleine Weltenbummler

Aber tatsächlich ist der Bergfink ein Zugvogel und ein echter Globetrotter. Wenn sie nicht grad in Nordeuropa brüten, kommen sie viel rum. Dabei folgen sie keinen festen Zugwegen und haben keine festen Wintergebiete, im Gegenteil: Durch Beringung wissen wir, dass sich ein einzelner Bergfink jedes Jahr ein anderes Ziel aussuchen kann. Da sie locker bis zu 8 Jahre und älter werden können, sehen sie so einiges in ihrem Leben.

Bergfinken überwintern in Mittel-, West und Südeuropa, Nordafrika, Nordindien, Nordpakistan, China und Japan. Auf dem Zug fliegen sie auch öfter mal nach Alaska und es gibt auch vereinzelte Nachweise im Norden der Vereinigten Staaten und im Süden Kanadas. Der weltweite Bestand an Bergfinken beträgt etwa 100 bis 200 Millionen Individuen, mit abnehmender Tendenz.

Obwohl sie dem richtig finsteren Winter aus dem Weg gehen, sind sie bestens vorbereitet. Sie können etwas ziemlich Cooles: Bergfinken sind wahre Schneebuddler. Sie schieben frischen Pulverschnee mit dem Schnabel oder den Flügeln beiseite, um schneebedeckte Bucheckern freizulegen. Um an ihre Leibspeise zu gelangen, graben sie auch mal unter einer gefrorenen Schneedecke bis zu 30 cm lange Tunnel. Leider vergessen Sie über ihre Leidenschaft für Bucheckern ihre Vorsicht und werden dabei auch mal von Katzen oder Füchsen geschlagen oder von Autos überfahren.

Ein Bergfinken-Männchen in winterlichen Mitteldeutschland

Finkenschwärme

Auf unseren winterlichen Feldern sind Finkenschwärme ein typischer Anblick. Außerhalb der Brutzeit tun sich viele kleinere Vögel wie Buchfinken, Grünfinken, Goldammern, Stieglitze, Feldsperlinge und eben auch Bergfinken zusammen und bilden einen großen Finkenschwarm. Sie suchen gemeinsam auf den brachliegenden Feldern nach Nahrung und spenden sich in den kalten Winternächten gegenseitig etwas Wärme, indem sie eng zusammenrücken.

Halt bei so einem gemischten Finkenschwarm also mal die Augen nach Bergfinken offen. Deine Chancen stehen gut!

Es kommt aber auch vor, dass Bergfinken im Winter eigene Schwärme bilden. Und die können aus Hundert oder auch mal aus mehreren Millionen Tieren bestehen. Jepp, mehrere Millionen, zehn und mehr Millionen, z.B. Wobei diese riesigen Vogelmassen wirklich schwer zu zählen sind.

Das passiert besonders in Jahren in denen es außergewöhnlich viele Bucheckern gibt, also in Mastjahren. Im Laufe des Winters kommen immer mehr und mehr Finken zusammen. Beim abendlichen Einflug eines solchen Schwarms zu den Schlafplätzen rauscht der Himmel lange, sehr lange. Manchmal brechen auch Äste unter der Last der schlafenden Finken.

Ein paar wenige der Millionen von Bergfinken, die im Winter in Europa unterwegs sind

Das gigantische Geheimnis: Millionen Bergfinken in Südniedersachsen

Als ich im Vogelzug-Workshop zum ersten Mal davon erzählt habe, gab ich allen Teilnehmerinnen die Empfehlung, dass sie sich so ein winterliches Naturschauspiel auf gar keinen Fall entgehen lassen, wenn sie mal die Gelegenheit dazu bekommen. Und ich hoffte im Stillen (oder nicht ganz so Stillen), dass ich sowas Tolles auch mal erleben dürfte. Eines Tages, irgendwann, mit ganz viel Glück. Ein Traum!

Ähm, tja, und was soll ich sagen? Wenige Monate später hatte ich Gelegenheit dazu. Und ich habe sie am Schopf gepackt. Im letzten Winter war am Rand des Sollings in Südniedersachsen ein gigantischer Bergfinken-Schlafplatz.

Tagsüber waren die Bergfinken einzeln oder in kleinen Trupps im Umkreis von 40, 50 Kilometer unterwegs, aber abends sammelten sie sich und flogen in großen Gruppen zu diesem Massenschlafplatz ein.

So ein riesiger Schlafplatz ist zwar auffällig (und stinkt), aber die Masse der Vögel bietet jedem Individuum auch Schutz.

Als ich zum ersten Mal an dem Schlafplatz war, waren es nach semi-offiziellen Schätzungen 2,5 Millionen Bergfinken. Wenn du mein Buch kennst, hast du von diesem Erlebnis schon gelesen. Ich bin unerwartet mitten im Schwarm gelandet. Sie zogen über mir ihre Wolken, saßen hinter mir in den Bäumen, sammelten sich in den Bäumen vor mir. Ich hörte das Whooosh ihrer Flügel und ihr stetiges Piepen, mit dem sie sich verständigten und das locker den kleinen Bach übertönte, der sich durch die Lichtung schlängelte.

Je dunkler es wurde, desto mehr Bergfinken flogen über die Baumwipfel ein. Sie sammelten sich in den Bäumen am Rand der großen Richtung, die unter ihrem Gewicht zitterten und die schwankten, wenn die Finken sich wieder erhoben. Sie wurden aufgescheucht von einem Merlin, einem Habicht, einem Wanderfalken oder bloß durch die allgemeine Unruhe.

Die Farbe ihrer Schwärme wechselte mit jeder Kurvenrichtung, die sie flogen. Dann senkten sie sich wieder in Wolken auf die Bäume herab, färben die kahlen Äste wie Blätter orange, nur um kurze Zeit später wieder aufzuwabern. Ein gigantisches Schauspiel!

Im Laufe der Wochen wurden es immer mehr und mehr Bergfinken, und jeder meiner Besuche bei ihnen beeindruckender und tiefgehender. Am Ende sollen es sogar 10 Millionen gewesen sein, aber wer weiß das schon so genau.

Und dann waren sie plötzlich weg. Drei Tage vorher waren sie noch da gewesen, und dann waren sie weg, bis auf so ca. Tausend Nachzügler, die ein bisschen verloren wirkten. Aber in meiner Erinnerung fliegen sie weiter.

Weitere Links zur Folge

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von | 15. Dez 2023 | Podcast, Vogelwissen

aktualisiert:
15. Dez 2023

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ist als „Wissensbuch des Jahres 2024“ nominiert.

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