Mehr Hach: mein Birdrace 2023

Einen ganzen Tag dem Vogelgucken widmen – das klingt genau nach meinem Geschmack. Wenn ich weiß, dass das zeitgleich noch Tausende andere im ganzen Land machen und ich dabei virtuell und gedanklich mit vier bis sechs der coolsten von ihnen verbunden bin, macht so ein Tag noch mehr Spaß. Wie gut, dass es das Birdrace gibt.

Und das war am letzten Samstag wieder. Das Birdrace ist der inoffizielle Tag der Vogelartenvielfalt zum Mitmachen. Dabei geht es darum, an einem Tag so viele Vogelarten wie möglich in einem Landkreis zu sehen und diese dann zu melden. Dafür können die Teilnehmenden sich in Teams zusammenschließen und gemeinsam unterwegs sein – virtuell oder physisch.

Ich war im dritten Jahr in Folge wieder virtuell mit meinem Team „Las Divas Spektivas“ unterwegs (kleine Zeitreise gefällig? Der Rückblick auf unser erstes Birdrace). In diesem Jahr gingen Anna an der Küste, Iris in Frankfurt, Julia an der Elbe und Véro bei Karlsruhe mit mir an den Start – und es war wieder fabelhaft. Aber der Reihe nach:

Das Licht und die Ruhe an Frühlingsmorgenden sind weitere Belohnungen fürs frühe Aufstehen … Es sei denn, es regnet.

Mein Birdrace-Tag unterwegs

Zum Glück habe ich aufgehört, mich mit der Vorstellung an mitternächtliches Aufstehen zu quälen. Ich bin realistisch und gnädig mit mir. Und deshalb startete ich um 6 Uhr morgens. Der erste Vogel, den ich schon beim Öffnen der Fenster gehört hatte, war der Hausrotschwanz vom Dach gegenüber. Bis ich bei meinem ersten Stopp auf einem Friedhof ankam, hatte ich schon locker 15 Arten auf der Liste.

Auf dem Friedhof wurden es dann noch ein paar mehr. Über den Kernbeißer hoch oben auf der Tanne freute ich mich besonders. Von dort aus fuhr ich weiter am Fluss entlang zu einem See und dann über die Felder hinauf zum Wald. Erfreulicherweise traf ich unterwegs u.a. mein erstes Braunkehlchen 2023, den aktuellen Vogel des Jahres. Dafür sollte es eigentlich Extrapunkte geben, finde ich. Aber immerhin schickte ich innerlich herzliche Grüße an Franziska Schmidt, die im Braunkehlchenschutz arbeitet und mir viele spannende Sachen über die schicken Flieger erzählt hat.

Inmitten von mehreren Dutzend Graugänsen auf dem übernächsten Feld entdeckte ich eine Weißwangengans, über die ich mich auch sehr freute. Für mich brachte sie einen Hauch Nordseeluft in die südniedersächsische Hügelland. Meine Teamkollegin Anna an der Küste konnte darüber allerdings nur lachen (und das hat sie tatsächlich getan, glaube ich). Bei ihr wimmelte es nur so von Weißwangengänsen.

Unterwegs auf den Feldern hat es mein Fernglas tatsächlich geschafft, zum allerersten Mal aus meinem Fahrradkorb zu hüpfen. Es lagen viele angstvolle Minuten zwischen dem Moment, als ich es vermisst habe, und unserem Wiedersehen. Ich freute mich außerdem noch über den allerersten Kuckuck, den ich in diesem Frühling gehört habe. Dafür sah ich erstaunlich wenige Greifvögel auf den Feldern. Mit Ach und Krach bekam ich einen Rotmilan auf die Liste.

Nach einem Mittagspäuschen beendete ich den Tag fast schon traditionell an einem Feuchtgebiet, wo mich zu meiner Überraschung drei Kraniche begrüßten. Bei näherem Hinsehen entdeckte ich auch wieder Rostgänse, die ich quasi nur zum Birdrace sehe, aber über die ich mich dann umso mehr freue. Ein paar weitere Greifvögel ließen sich auch endlich blicken.

In der Abenddämmerung stand ich auf einem Steg am See und freute mich, dass sich auch die Trauerseeschwalben in diesem Jahr wieder sehen ließen. Die allerletzte Art auf meiner diesjähringen Birdrace-Liste war eine schlafende Schellente, die sich gut zwischen den Haubentauchern versteckt hatte.

Auf meiner vorletzten Station erfreuten mich drei Kraniche. Und Rostgänse! Und Kuckucke, Weißstörche, Dunkelwasserläufer, Blaukehlchen …

Das Highlight

Der Tag war voller schöner Entdeckungen und Wiedersehen, aber eine Beobachtung hat mich besonders fasziniert: Gegen Abend beobachtete ich einen Fuchs, der sich auf eine Wiese geschlichen hatte. Er verhielt sich zwar ruhig, aber die anwesenden Vögel behielten ihn argwöhnisch im Auge. Acht Weißstörchen wurde es dann zu bunt und sie staksten sehr aufrecht hinter ihm her. Zwölf der Nilgänse schlossen sich an und flankierten ihn mit hoch erhobenem Kopf von einer Seite. Alle schienen dabei ganz ruhig zu bleiben, zumindest soweit ich das aus der Ferne beurteilen konnte.

Doch dann kamen Rabenkrähen hinzu. Sie setzten sich ringsum in die Bäume und mit gebührendem Sicherheitsabstand auf den Boden um den Fuchs herum. Und die riefen! Das gab wohl dem Fuchs den Rest. Hatte er vorher schon so getan als sei er völlig harmlos und dieser Aufmarsch ihm ganz egal, verdrückte er sich jetzt langsam (ich bildete mir ein: um Würde bemüht), aber zielstrebig aus dem Gebiet. Die Vögel nickten sich gegenseitig anerkennend zu, klatschten sich ab (ja, nee: das taten sie beides natürlich nicht) und zerstreuten sich wieder.

Rostgänse kann ich gar nicht oft genug sehen.

Aktuelle Bestandsaufnahme

Für mich ist das Birdrace auch zu einem Meilenstein geworden, zu einem dieser besonderen Tage im Jahr, an dem ich mich mit mir selbst vergleichen kann: Was hat sich seit letztem Jahr verändert? Wie habe ich mich verändert? Wo stehe ich?

In diesem Jahr war für mich besonders meine körperliche Regeneration deutlich. Im Dezember 2021 hatte ich eine große OP, die mich ziemlich aus der Bahn geworfen hat. Mein erstes großes Ziel im letzten Jahr war es, bis zum Birdrace wieder einigermaßen Fahrradfahren zu können – und das hat geklappt. Heute geht es mir viel besser. Obwohl ich mich im Alltag immer mal wieder schlapp fühle, so konnte ich jetzt im Vergleich zum letzten Jahr gut sehen, wie weit ich seitdem gekommen bin. Ganz locker an den Stellen vorbeifahren zu können, bei denen ich mich im letzten Jahr dringend ausruhen musste, war ein gutes Gefühl (und trieb mir fast ein bisschen Pipi inne Augen vor Stolz).

Und noch etwas hat sich geändert: Ich war in diesem Jahr viel entspannter als sonst. Nur selten fühlte ich mich getrieben oder hatte das Gefühl, irgendwo anders einen viel tolleren Vogel zu verpassen, wie ich das bei den vergangenen Birdraces oft gehabt hatte. Ich führte keine inneren Listen, welche Arten mir noch fehlten. Ich zählte sogar selten nach, was der aktuelle Stand war. Und ein Ziel für diesen Tag hatte ich mir auch nicht gesetzt.

Es galt wohl für mich das, was ich in meinen Kursen oft predige: Die Vögel, die da sind, sind immer die Richtigen. Vielleicht habe ich gelernt, im Augenblick zu sein? Vielleicht hat mich aber auch einfach nur mein Ehrgeiz verlassen. Aber diese innere Gelassenheit schenkte mir die zwei ersten Baumfalken des Jahres, die ich sonst vielleicht hektisch übersehen hätte.

Stellvertretend für all die anderen Vögel im Rapsfeld hielt diese Dorngrasmücke freundlicherweise still, hach.

Fazit: Birdrace 2023

Wir Divas haben in diesem Jahr keine neuen Rekorde aufgestellt, aber wen interessiert’s? Wir hatten fabelhafte Stunden mit tollen Vogelsichtungen in der Natur und haben uns quer durch die ganze Republik miteinander gefreut. Iris steuerte den (von mir langersehnten) Halsbandsittich und einen Grauschnäpper bei, Véro hatte wieder das Schwarzspecht-Glück gepachtet und bekam dazu noch einen Pirol zu hören, Anna ist an der Küste unsere Arten-Queen und erspähte auf dem Heimweg auch noch ein paar Regenbrachvögel und Julia pimpte zum Abschluss unseren Zähler noch mit einer Waldohreule und einem Steinkauz auf.

Weniger Adrenalin, mehr Hach – so lässt sich das Birdrace 2023 für mich gut zusammenfasssen. Und ich freue mich jetzt schon auf die Vogel-Rallye am 14. Oktober 2023, wenn ich mit euch allen wieder einen ganzen Vogeltag unterwegs sein werde.

von | 10. Mai 2023 | Rückblick

aktualisiert:
25. Mrz 2024

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ist als „Wissensbuch des Jahres 2024“ nominiert.

Moin, ich bin Silke,

wie schön, dass du da bist! Hier berichte ich dir Wunderbares und Wundersames über Vögel und ihre Welt. Außerdem erfährst du, wie du anfängst, sie schnell selbst zu sehen und immer besser darin wirst. Komm mit auf die Reise!

Mein neues KOSMOS-Buch: „Die Superkräfte der Vögel“

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2 Kommentare

  1. Liebe Silke,
    eigentlich sollte ich schon im Bett sein, aber dann war ich doch neugierig auf deinen Bericht zum birdrace.
    Ich will deine Berichte gern weiterlesen, aber zum Mitmachen fehlt mir im Augenblick die Zeit.
    Du machst das prächtig und liebevoll!
    Herzliche Grüße

    Antworten
    • Liebe Emmy,
      vielen Dank für deinen schönen Kommentar, über den ich mich sehr freue. Ich bin ein bisschen stolz, dass mein Blog einen genauso wirksamen Anti-Schlaf-Effekt zu haben scheint wie teure Streaming-Anbieter. Vielleicht sollte ich dazu einen Slogan entwickeln … Herzliche Grüße zurück!

      Antworten

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