Wenn du jemals an den Küsten von Nord- und Ostsee warst, hast du ihn bestimmt schon mal gehört und wahrscheinlich auch schon mal gesehen: den Austernfischer, Haematopus ostralegus. Pünktlich zum Sommer erzähle ich euch von diesem schönen Vogel, der für viele ein echter Urlaubsbegleiter und damit auch ein Sehnsuchtsvogel ist.
Hier kannst du dir die Podcast-Folge über den Austernfischer anhören und ein paar Extras über meine besondere Beziehung zu ihm erfahren:
Ein fettes DANKE an Kathi, Johanna, Melanie, Angelina und Sylvia, die mir für diese Folge ihre Stimmen und ihr Aussprachetalent geliehen haben ❤️
Aussehen
Austernfischer sind gut 40cm groß, kräftig, gedrungen und sehr auffällig. Ihr Gefieder ist schwarz-weiß. Ihr langer, dünner Schnabel und ihre langen Beine sind knallrot. Sogar ihre Augen haben meine Lieblingsfarbe (rot). Im Flug sind ihre Flügel von unten ziemlich weiß und helfen so bei der Bestimmung.
Verbreitung
Die Brutgebiete des Austernfischers liegen in Europa, Westsibirien und Ostasien. Zum überwintern ziehen sie bis nach Afrika und Südasien.
In Deutschland brüten Austernfischer vor allem an den Küsten und im küstennahen Binnenlang. Entlang der größeren Flüsse wie Rhein, Ems, Weser und Elbe wagen sie sich aber auch mal tiefer ins Landesinnere vor. Sobald die Jungvögel flügge sind, suchen sie aber die Küste auf.
In Österreich und der Schweiz sind Austernfischer also rar gesät, also nur in Ausnahmefällen auf dem Zug zu sehen.
Am meisten von ihnen gibt es im Wattenmeer. Dort sind sie ganzjährig anzutreffen, obwohl ihre Artgenossen, die in anderen Regionen Europa brüten, häufig Zugvögel sind. Und viele von denen überwintern auch im Wattenmeer
Lebensweise
Lautäußerungen
Dort, wo sie sind, ist ihr Trillern zu hören. Sie rufen eigentlich immer. Egal ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter. Morgens, mittags, abends, nachts. Sie rufen, im Flug und am Boden. Bei Sonnenschein und auch bei Schietwedder und das ist ziemlich klug, denn das gibt es an der norddeutschen Küste ja öfters.
Aktivität
Das mit dem nächtlichen Rufen meinte ich übrigens ernst. An der Küste ist die Aktivität der Austernfischer tideabhängig – das heißt, die Tiere sind tag- und nachtaktiv, je nachdem, wann das Wasser kommt und geht. Ohne den Einfluss der Gezeiten sind sie im Binnenland aber nur tagaktiv.
Ernährung
Austern fischt der Austernfischer verwirrender Weise nicht, aber er frisst Miesmuscheln und Herzmuscheln. Um diese Muscheln zu öffnen hat jeder Austernfischer seine ganz eigene Methode. Und die gibt er an seine Nachkommen weiter. Aber Muscheln frisst er im Idealfall nur im Winter. Dann ist auch sein Schnabel stumpfer und ca. 1cm kürzer vom vielen Muschelschalen-Aufknacken.
Ansonsten frisst (oder sollte ich besser sagen: schlürft?) er gerne Watwürmer und Regenwürmer. Die sind mit seinem lange und gerade Schnabel im Schlamm, Matsch und Schlick für ihn prima zu erstochern. Außerdem knuspert er auch Schnecken und Krebse. Mjam.
Fortbewegung
Wie es sich für einen ordentlichen Watvogel gehört, flitzen und fliegen Austernfischer meistens. Sie können aber auch ziemlich gut schwimmen und wurden schon fernab des Festlands auf dem Wasser beobachtet. Wahrscheinlich ruhen die Vögel bei Hochwasser in dunklen Nächten auf dem Wasser.
Verletzte oder noch nicht flugfähige Jungvögel fliehen vor Feinden auf das Wasser und tauchen dabei auch ab. Da sie keine Schwimmhäute haben, bewegen sie sich unter Wasser nur durch das Schlagen ihrer Flügel fort. Bei einer Tauchtiefe von 30 bis 50 Zentimetern können sie so Entfernungen von bis zu 15 Metern unter Wasser zurücklegen.
Die Namen des Austernfischers
Also der deutsche Name ist schon mal murks – oder sagen wir: unpräzise. Der englische auch, denn da heißt er ebenfalls oystercatcher.
Mit DER Austernfischer meine ich übrigens DEN Austernfischer, unseren, also die Art, die es bei uns in Europa gibt. Es gibt noch ein paar mehr Arten aus der Gattung der Austernfischer, aber die heißen dann mit irgendwas dabei, also: Klippen-Austernfischer, Feuerland-Austernfischer oder Schwarzer Austernfischer.
Sein lateinischer Name ist Haematopus ostralegus und das bedeutet „Blutfüßiger Austernsammler“. Woher das mit den Austern dauernd kommt, weiß ich auch nicht. Vielleicht mochte er die echten europäischen Austern, die inzwischen im Wattenmeer ausgestorben sind?
In anderen Sprachen zielt sein Name eher auf seine farbliche Ähnlichkeit zu Elstern ab. Im Finnischen heißt er Meriharakka (See-Elster), auf Niederländisch Scholekster (Schollen-Elster) und auf Russisch Кулик-сорока (Kulik-soroka, Schnepfen-Elster). Im Dänischen heißt er trandskade und auf Schwedisch strandskata, was beides Strandelster heißt. Nur Norwegisch tanzt ein bisschen aus der Reihe, da heißt er tjeld.
An der norddeutschen Küste wird er auch als Halligstorch oder auch Friesenstorch bezeichnet. Das kommt wohl einerseits von seinem ebenfalls schwarz-weiß-roten Aussehen.
Es kommt wohl auch daher, dass sich Weißstörche auf Halligen und Inseln rar machen. Ich war ja im Frühjahr auf Helgoland, als etwas ganz Spektakuläres passierte: Ein Weißstorch kam vorbei. Das klingt jetzt nicht so mega spektakulär, passiert aber nur äußerst selten. Das liegt daran, dass Weißstörche Termikflieger sind und eigentlich vermeiden, übers offene Meer zu fliegen. Und wenn es auf den Halligen schon keine Weißstörche gibt, muss also der Austernfischer herhalten.
Der Helgoländer Weißstorch wurde also wohl vom Winde verweht. Ob er es zurück zum Festland geschafft hat, ist fraglich.
Brutzeit
Nest
Austernfischer brüten auch auf Dächern, auf Flachdächern zumindest, wenn sie geschottert sind. Aber eigentlich brütet er auf echtem Boden, auf Sandstränden, auf Kieselstränden, in den Dühnen, auf Äckern, in Feuchtwiesen, aber auch schon mal in Sandgruben, auf Baustellen, im Schotterbett von Bahnlinien, auf geschotterten Flachdächern, auf Strohdächern oder in Korbweiden.
Das Nest ist eher eine Brutmulde, die mit dem Körper in den weichen Untergrund gedreht wird. Wenn sie ganz fancy sind, legen sie das Nest mit Muschelschalen aus.
Gelege & Brut
Das Weibchen legt meistens drei, maximal vier Eier. Es gibt aber auch deutlich größere Gelege. Diese entstehen durch das „Zusammenlegen“ von zwei oder mehr Weibchen im selben Nest. Das ist aber nicht so cool wie es klingt: die Körpergröße eines Austernfischers ist nicht ausreichend, um mehr als vier Eier zu bebrüten. In größeren Gelegen werden also meist mehrere Eier nicht ausgebrütet. Insgesamt sind diese Großbruten nicht sehr erfolgreich.
Wie bei allen Limikolen erfolgt nur eine Jahresbrut. Wird jedoch die Erstbrut etwa durch Weidevieh, Möwen oder Menschen zerstört, können sie noch bis zu drei mal nachlegen. Männchen und Weibchen brüten abwechselnd so um die 26 Tage lang.
Die Jungvögel sind Nestflüchter und folgen den Eltern sehr schnell. Sie werden aber noch mehrere Wochen durch die Altvögel gefüttert bzw. zugefüttert.
Mortalität
So ein Austernfischerkükenleben ist gefährlich. Einen Monat nach dem Flüggewerden leben nur noch 16 Prozent der geschlüpften Jungen, also weniger als eins pro Nest.
Wenn sie diese gefährliche Zeit überstanden haben, wird es besser. Das Durchschnittsalter eines Austernfischers beträgt 14 bis 15 Jahre. Sie können aber noch viel länger leben. Den Rekord bisher hält ein Tier, das 1993 tot aufgefunden wurde. Er wurde im Jahr 1949 in den Niederlanden beringt und ist somit 44 Jahre alt geworden.
Austernfischer in der Kultur
Auf den nordatlantischen Färöer-Inseln ist der Austernfischer der Nationalvogel. Seine jährliche Rückkehr aus den Winterquartieren wird dort am 12. März als Frühlingsanfang gefeiert wird. Und ein eigenes Lied hat er auch. Kein Wunder, dass er dort das Symbol des färöischen Unabhängigkeitsstrebens ist, und er unter strengem Naturschutz steht.
Wie ist das bei dir? Was verbindest du mit dem Austernfischer? Hast du eine Austernfischergeschichte, die du erzählen magst?
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