Die Wahl zum Vogel des Jahres 2024: Muss das sein?

Wenn man mich irgendetwas wählen lässt, bin ich am Start. Ich liebe die Demokratie! Sozialwahl bei der Krankenkasse? Count me in. Bundestag, Bürgermeister*in, Kirchengemeinderat? Aber sicher doch! Meine allerliebste Wahl ist jedoch die zum Vogel des Jahres. Da gibt es nämlich nur coole Kandidat*innen und es ist fast egal, wer gewinnt.

Ich habe gehört, dass ein paar von euch noch Entscheidungshilfe brauchen, welchen Vogel sie für 2024 wählen sollen. Deshalb üben wir uns hier in ein bisschen Vogel-Wahlkampf, damit euch die Entscheidung leichter fällt.

Die Aufnahmen der Vogelstimmen in dieser Folge stammen von Bernard Collet (Kiebitz), Romuald Mikusek (Rebhuhn), Lars Edenius (Rauchschwalbe), Olivier Swift (Steinkauz), Stanislas Wroza (Wespenbussard) via NABU.de

Was ist der Vogel des Jahres überhaupt?

Der „Vogel des Jahres“ wird in Deutschland bereits seit 1971 gekürt und zwar gemeinsam vom NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.) und dem LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V.). Sie wollen dadurch auf die Gefährdung dieser Vögel und ihrer Lebensräume aufmerksam machen. Die Verbände rücken den Siegervogel mit verstärkter Kommunikation ins Rampenlicht und machen auf seine Gefährdung aufmerksam. Und sind wir mal ehrlich: Das haben die jeweiligen Kandidat*innen auch bitter nötig!

Mit ihrer Vogel-des-Jahres-Kampagne haben die beiden Naturschutzorganisationen einen regelrechte Welle losgetreten. Es dauerte allerdings ein bisschen, bis die ins Rollen kam.

  • Von 2000 bis 2020 wurde der in Deutschland gekürte Vogel des Jahres durch BirdLife Österreich für Österreich übernommen. Seitdem haben haben sie eigene Vogel des Jahres.
  • Der Schweizer Vogelschutz kürt seit 2001 den Schweizer Vogel des Jahres.
  • Auch in anderen Ländern in Europa und weltweit werden inzwischen Vögel des Jahres gekürt.
  • Seit 2014 benennt der Verein Jordsand noch mal zusätzlich den Seevogel des Jahres, um auf die Gefährdung der Seevögel und des maritimen Ökosystems aufmerksam zu machen.

Auch jenseits der Vogelwelt gibt es inzwischen Natur des Jahres, also z.B.

  • Insekt des Jahres,
  • Baum des Jahres,
  • Heilpflanze des Jahres,
  • Biotop des Jahres,
  • Pilz des Jahres,
  • Kaktus des Jahres,
  • Alge des Jahres,
  • Spinne des Jahres,
  • Kartoffel des Jahres,
  • Mikrobe des Jahres,

Ein Erfolgskonzept also!

Die Wahl zum Vogel des Jahres

Seit 2021 wird der deutsche Vogel des Jahres durch eine öffentliche Wahl bestimmt – und jetzt kommst du ins Spiel!

Wir brauchen nämlich eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für das Braunkehlchen, den amtierenden Vogel des Jahres 2023. Und ich finde: Das Braunkehlchen trägt seine Krone mit Würde und sehr verdient.

Aber: Wir haben in Deutschland mehr als 300 Vogelarten und knapp die Hälfte von ihnen sind in ihrem Bestand bedroht und stehen auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands. Sie alle hätten es also verdient, als Vogel des Jahres besonders im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Es kann aber jeweils nur einen Vogel des Jahres geben, klar.

Deshalb haben die Vogelexpert*innen von NABU und LBV nach Naturschutzaspekten wieder fünf Arten ausgesucht, unter denen abgestimmt werden kann. Jede von ihnen steht aber auch stellvertretend für so viele andere Arten, die dieselben Probleme haben. Die sind dann quasi deren Partei.

Dass du abstimmst, ist jetzt natürlich Ehrensache. Aber für wen? Ich helfe dir bei der Entscheidung:

Die Kandidat*innen für 2024

Hast du schon gehört, wer die Kandidat*innen sind? In diesem Jahr steht nicht so ein popeliger Allerweltsvogel wie das Rotkehlchen zur Wahl, das in 2021 unter allen Brutvögeln Deutschlands ausgewählt wurde. In diesem Jahr sind die Kandidat*innen für fortgeschrittene Vogelfans, die sich nicht vom Kindchenschema blenden lassen, sondern hinter die Fassade sehen. Und genau dabei helfe ich dir heute, damit du entscheiden kannst, wem du deine wertvolle Stimme gibst. Denn wie bei jeder Wahl zählt jede Stimme.

Deshalb machen wir hier gleich ein kleine Speed Dating mit den heißen Anwärter*innen auf den Vogel-des-Jahres-2024-Thron. Ich stelle dir die fünf Kandidat*innenen und ihre Wahlprogramme in Kurzform vor, damit du informiert deine Wahl treffen kannst.

Zur Wahl stehen in diesem Jahr:

  1. Der Kiebitz
  2. Das Rebhuhn
  3. Die Rauchschwalbe
  4. Der Steinkauz
  5. Der Wespenbussard

Der Kiebitz: Wasser marsch!

Kiebitze sind coole Wiesenpunker, die spektakuläre Flugmanöver vollführen. Aber auch wenn das nach guter Laune aussieht: Kiebitze verlieren ihren Lebensraum und sind stark gefährdet. Als Wiesenbrüter brauchen sie feuchte Wiesen und Weiden, Moore und Sümpfe. Da immer mehr Feuchtgebiete trockengelegt, in Äcker umgewandelt oder intensiv bewirtschaftet werden, findet sie kaum noch Platz zum Brüten. Durch die Klimakrise wird es zudem immer trockener.

Dabei speichern feuchte Naturwiesen als natürliche Klimaschützer viel Kohlenstoff. Sie zu erhalten oder (durch Renaturierung) wiederherzustellen, hilft uns allen. In seinem Wahlmanifest fordert der Kiebitz:

„Wählt mich, wenn ihr für feucht-fröhliche Natur seid!“

der Kiebitz
ein Kiebitz (Foto: NABU/CEWE/Thomas Hempelmann)

Das Rebhuhn: Mehr Vielfalt auf dem Acker!

Das hätten sich unsere Großeltern nicht träumen lassen, dass es von denen mal weniger geben würde. Früher waren sie nämlich fester Bestandteil des Feldpanoramas und häufig zu sehen. Auch wenn sie sich bei Gefahr ducken und gut getarnt fast unsichbar werden. Aber ihr Bestand hat allein seit den 1980ern um über 90% abgenommen. Ihr Probleme sind die leergeräumte Felder, die öde Rapsflächen und die endlosen Maisfelder in unserer Agrarlandschaft. Als Bodenbrüter braucht es buschige Feldraine und Blühstreifen als Deckung.

Sie brauchen mehr Vielfalt, unterschiedliche Kulturpflanzen, wilde Sträucher und Blumen, die ihrem Essen, den Insekten, Nahrung bieten. Auch die häufige Düngung und die verschiedenen Ackergifte sind nicht cool für das Rebhuhn. Deshalb fordert es:

„Wählt mich, wenn ihr für mehr Natur in der Landwirtschaft seid!“

das Rebhuhn
ein Rebhuhn (Foto: NABU/Jan Piecha)

Die Rauchschwalbe: Matsch statt Asphalt!

Die Rauchschwalbe gilt als Sommerbotin und bringt Glück. Aber offenbar nur uns, denn ihr selbst scheint das Schicksal weniger gewogen und sie werden immer weniger. Das ist auch für uns ungünstig, denn wie ihr wisst: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Wir brauchen also viele von ihnen!

Früher fand die Rauchschwalbe in Ställen und Scheunen kleiner Bauernhöfe genug Nistmöglichkeiten. Heute sind die Stallungen großer Viehbetriebe häufig verschlossen, Schwalbennester werden bei Sanierungen entfernt und an modernen glatten Innenwänden bleiben sie nicht haften. Auch in Städten und Siedlungen wird ihr dadurch das Leben erschwert. Auf versiegelten Flächen, Gärten des Grauens und zubetonierte Wege fehlt der Rauchschwalbe zudem der Baustoff: Lehmpfützen. Ihr Wahlmanifest lautet daher:

„Stimmt für mich, wenn ihr Gebäudebrüter willkommen heißt und gegen asphaltierte Landschaften seid!“

die Rauchschwalbe
eine Rauchschwalbe (Foto: Marcus Bosch)

Der Steinkauz: Mehr Wohnraum im Baum!

Athene noctua: Die Athene bei Nacht . Der Steinkauz spielte schon in der griechischen Mythologie eine Rolle und war eine Art Bote der Göttin Athene. Tja, aber seitdem hat er echt miese Zeiten hinter sich. Früher verfolgte man ihn bei uns als Todesboten. Heute haben wir zwar mit Eulen größtenteils Frieden geschlossen, aber das nützt dem Steinkauz auch nichts, denn er verliert seine Brutplätze. Er braucht vor allem alte Bäume mit Höhlen im Offenland. Die gibt es besonders häufig auf Streuobstwiesen. Wenn sie ohne Maschinen und Pestizide gepflegt werden, gibt es hier auch genug Insekten und kleine Wirbeltiere als Nahrung. Du kannst den kleinen Kauz relativ oft auch tagsüber beobachten, da er gerne auf offenen Sitzwarten verweilt.

Leider gibt es immer weniger Streuobstwiesen und damit auch immer weniger Steinkäuze. Ehrensache, dass du jetzt den Erhalt von Streuobstwiesen unterstützen willst, wa? Dann geb dem Steinkauz deine Stimme und fordere wie er:

„Mehr Wohnraum im Baum!“

der Steinkauz
ein Steinkauz im Landeanflug (Foto: NABU/Winfried Rusch)

Der Wespenbussard: Für Insekten, gegen Gift!

Beim Wespenbussard ist der Name Programm, denn im Deutschen ist er nach seiner Leibspeise benannt: Wespen. Dieser stattliche Greifvogel ernährt sich in erster Linie von Wespen. Die schnappt er sich aber nicht im Flug, sondern scharrt ihre Nester im Boden auf und futtert sie dann samt ihren Larven und Puppen weg. Sein miaunender Ruf hat damit aber nichts zu, denn er ist gut gegen Stiche geschützt. Dein Gefieder ist besonders dicht und seine Füße sind mit Hornplättchen gepanzert. Er geht also gerne zu Fuß auf die Jagd. Praktisch, dass seine Krallen nicht so stark gebogen sind wie bei anderen Greifvögeln.

Alle Menschen, die im Sommer Panik vor Wespen auf dem Erdbeerkuchen haben, sollte also einen Wespenbussard im Garten haben. Aber paar Wespen die reichen ihm leider nicht: Obwohl er neben Wespen und anderen Insekten auch Würmer und Amphibien frisst, geht ihm die Nahrung aus. Auch er ist ein Opfer des Insektensterbens. Sein Wahlslogan ist daher:

„Für Insekten, gegen Gift!“.

der Wespenbussard
ein Wespenbussard (Foto: NABU/Christoph Moning)

Meine Wahlempfehlung

Du siehst: Die fünf Kandidat*innen sind alle würdige Nachfolger*innen für das Braunkehlchen.

Wenn ich hier mal eine offizielle Wahlempfehlung geben soll: Wähl, wen du willst, aber wähl! Und erzähle es weiter! Im letzten Jahr haben fast 135.000 Menschen abgestimmt. Das können wir doch dieses Jahr noch toppen, oder? Du kannst noch bis zum 5. Oktober wählen, allerdings nur bis 11 Uhr vormittags. Danach wird schon der Vogel des Jahres 2024 gekürt. Also verbummel es nicht und wähle am besten sofort!

Ich habe in diesem Jahr lange geschwankt: Bisher war ich ja treue Kiebitz-Wählerin. Von den Rebhühnern habe ich in diesem Jahr so schicke Anstecker bekommen, die mein Wahlverhalten beeinflussen könnten. Aber ich habe mich entschieden, den Underdog zu wählen: den Wespenbussard. Vielleicht sehe ich dann auch endlich mal wieder einen. Er ist außerdem der einzige der diesjährigen Kandidat*innen, der die Krone noch nie getragen hat. Und ich finde: Es wird höchste Zeit!

Also ab an die Wahlurne mit dir. Du findest sie unter vogeldesjahres.de.

aktualisiert:
27. Sep. 2023

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ist als „Wissensbuch des Jahres 2024“ nominiert.

Moin, ich bin Silke,

wie schön, dass du da bist! Hier berichte ich dir Wunderbares und Wundersames über Vögel und ihre Welt. Außerdem erfährst du, wie du anfängst, sie schnell selbst zu sehen und immer besser darin wirst. Komm mit auf die Reise!

Wissensbuch des Jahres 2024: „Die Superkräfte der Vögel“

„Birding – Entdecke die Wunderwelt der Vögel“ – Mein neues Vogelbuch für Kinder ab 7

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Beitrag. Die letzten Jahre habe ich die Wahl irgendwie immer noch kurz vor Abstimmungsende mitbekommen, aber dank dir bin ich dieses Mal etwas früher. Deine Zusatzinfos zu den Vögeln und für was sie stehen, haben mich bei meiner Wahl sehr beeinflusst, da ich ein Insektenfan bin (und das Rebhuhn im Moment in unserer Gegend sowieso schon viel Aufmerksamkeit bekommt).
    Außerdem bin ich deinem Aufruf gefolgt und habe die Abstimmung durch deinen Artikel mit meinen Freunden geteilt. Danke dir für die Leidenschaft.
    Herzliche Grüße aus Mittelhessen

    Antworten
    • Hallo, liebe Stephanie. Vielen Dank für deine schöne Nachricht – und voll gut, dass du

      1. bereits abgestimmt und
      2. es sogar weitergesagt hast.

      Vorbildlich 🙂 Und ich finde super, dass bei euch bereits etwas für das Rebhuhn getan wird, so dass du deine Stimme guten Gewissens einem anderen Vogel gegeben hast. Ausnahmsweise ist es ja nämlich echt fast egal, wer gewinnt.

      Herzliche Grüße zurück nach Mittelhessen noch aus Südniedersachsen

      Antworten

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