Vielleicht hast du mitbekommen, dass einige Vogelarten neue Namen haben. Im deutschsprachigen Raum betrifft das unter anderem alltägliche Namen wie Fischreiher, Straßentaube oder Raubvogel. Im englischsprachigen Raum wurden vor Kurzem sehr viele Vogelarten umbenannt und der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Aber was soll das? Muss man jetzt auch bei Vogelnamen aufpassen, was man sagt? Warum diese Änderungen?
In diesem Beitrag schauen wir uns an, warum solche Umbenennungen nötig werden, was die Hintergründe sind und wie dabei vorgegangen wird. Am Ende wird dir hoffentlich einleuchten, dass ein Name nicht nur eine Bezeichnung ist, sondern oft viel mehr aussagt, als es scheinen mag.
Warum ändern sich Vogelnamen?
Vogelnamen sind mehr als bloße Etiketten – sie tragen Bedeutungen und manchmal auch Vorurteile oder historische Lasten mit sich.
Ein paar Beispiele:
Warum der Fischreiher jetzt Graureiher heißt
Der veraltete Name „Fischreiher“ erweck die Assoziation, dass diese Vogelart sich ausschließlich von Fisch ernährt und als solche eine Konkurrenz zu uns Menschen ist. Mit dieser falschen Annahme hat der Graureiher viel Hass auf sich gezogen. Heute wissen wir, dass dieser Name nicht nur negativ belastet ist, sondern unpräzise ist. Ein Graureiher frisst nicht nur Fisch, sondern jagt auch Frösche, Mäuse, kleine Vögel oder auch mal eine Ratte. Der Name „Graureiher“ beschreibt ihn viel treffender, ohne Vorurteile zu wecken.
Warum die Straßentaube besser Stadttaube genannt wird
Von der Straße, aus der Gosse: Die Stadttaube hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. [Warum ihr negatives Image auf Unwissenheit und Empathielosigkeit beruht, erkläre ich HIER ausführlicher]. Die Bezeichnung Stadttaube nimmt dem Namen seinen schalen Beigeschmack und rückt die Verbindung dieser Tiere zu urbanen Lebensräumen in den Fokus. Statt sie mit schmutzigen Straßen zu assoziieren, macht er klar, dass sie Teil unseres Stadtlebens sind. Höchste Zeit, dass sich dieser zeitgemäße Ansatz rumspricht.
Warum wir statt Raubvögel jetzt Greifvögel sagen
Der Begriff „Raubvogel“ weckt Bilder von aggressiven Jägern und klingt, als würden diese Vögel etwas nehmen, das ihnen nicht zusteht. Noch immer ist die falsche Ansicht verbreitet, dass diese Vögel schädlich seien. „Greifvogel“ hingegen beschreibt die Tiere sachlicher: Es geht um Vögel, die Beutetiere mit ihren kräftigen Krallen greifen und festhalten. Dieser Begriff passt nicht nur besser zu ihrem Verhalten, sondern rückt auch ihre ökologisch wichtige Rolle ins rechte Licht. Umgangssprachlich kann dieser Begriff auch für Falken verwendet werden, wobei diese strenggenommen keine Greifvögel sind. [In diesem Beitrag über Turmfalken habe ich das näher erklärt].
FunFact: Statt Raubtier sagt man besser Beutegreifer.
Warum der Dompfaff nur noch Gimpel heißen sollte
Im Deutschen gibt es umgangssprachlich zwei Bezeichnungen für Pyrrhula pyrrhula: Gimpel und Dompfaff. Der Name Dompfaff bezieht sich auf das rote Gewand und die schwarze Kappe von Domherren und ist die abwertende Bezeichnung eines Geistlichen. Auch wenn privilegierte Männer nicht diskriminiert werden können, ist es ein Ausdruck, dem ich keinen Platz in meinem Leben einräume – zumal er sich nur auf die männlichen Gimpel bezieht und die Weibchen höchstens „mitmeint“. Dieses patriarchale Gehabe können wir getrost hinter uns lassen – besonders wenn es, wie in diesem Fall, so einfach ist.
Deutschsprachiges Beispiel eines Internationalen Vogels
Wirken manche Namen einheimischer Vögel wie aus der Zeit gefallen, so sind bestimmte deutsche Namen für internationale Vogelarten rassistisch und damit nicht mehr tragbar. Die afrikanische Hottentottenente bekam ihren deutschen Namen zum Beispiel in der Kolonialzeit. Das Wort „Hottentotten“ wurde früher abwertend für die Khoikhoi, eine indigene Bevölkerungsgruppe im südlichen Afrika, verwendet und hat sich in unserem Sprachgebrauch in einem abwertenden Ausspruch bis heute erhalten. Solche Bezeichnungen haben in der modernen Vogelkunde nichts zu suchen! Deshalb heißt dieser Vogel jetzt Pünktchenente.
Ein Blick über den Tellerrand: Änderungen bei Vogelnamen in Nordamerika
Die Diskussion um Vogelnamen ist kein deutsches Phänomen. Besonders in den USA und Kanada gibt es aktuell eine Bewegung, um diskriminierende oder missverständliche Vogelnamen zu ändern. Das betrifft vor allem 163 Vogelarten, die nach Menschen benannt sind.
In Nord- und Südamerika wurden im 18. und 19. Jahrhundert viele Arten von westlichen, weißen Naturalisten „entdeckt“ (die natürlich der dort heimischen Bevölkerung längst bekannt waren), gesammelt und beschrieben. Diese Arten wurden nach den Sammlern oder ihren Familienangehörigen, anderen Wissenschaftlern oder bekannten Persönlichkeiten der Zeit benannt. Verhalten und Sichtweisen der meisten dieser Menschen rechtfertigen aus häufiger Sicht nicht mehr die Ehrung, eine Art nach ihnen zu benennen.
Ein prominentes Beispiel für diese Debatte ist die McCown’s Longspur, die Weißkehl-Spornammer. Das ist ein kleiner Singvogel, der im Englischen nach einem Offizier der Konföderierten im amerikanischen Bürgerkrieg benannt war, der unter anderem für den Erhalt der Sklaverei gekämpft hat. Inzwischen ist der offizieller Name Thick-billed Longspur. Er bezieht sich jetzt also konkret auf das Aussehen des Vogels und hat keinen fragwürdigen historischen Bezug mehr. Ganz nebenbei ist er so auch leichter zu merken.
Diese Debatte zeigt deutlich: Namen können Menschen und Kulturen verletzen und Menschen ehren, die aus heutiger Sicht diese Ehrungen nicht mehr verdient haben. Die Anpassung von Namen ist ein Schritt hin zu mehr Respekt und Sensibilität – nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch gegenüber der Natur, die wir benennen.
Wer entscheidet über neue Vogelnamen?
Es gibt für Vögel oft viele, regional unterschiedliche Namen. Neben ihren eindeutigen und international anwendbaren lateinischen Namen hat jede Art jedoch auch einen offiziellen Trivialnamen, der von ornithologischen Verbänden vorgeschlagen bzw. festgelegt wird.
In Deutschland kümmert sich die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft (DO-G) um solche Fragen. International spielen Organisationen wie die International Ornithologists‘ Union (IOU) oder die American Ornithological Society (AOS) eine entscheidende Rolle.
Der Prozess ist oft langwierig. Zuerst diskutieren Forschende und Vogelkundler*innen mögliche Änderungen. Dann werden die Vorschläge geprüft, oft auch durch öffentliche Meinungen ergänzt. Am Ende fällt die Entscheidung, die neuen Namen werden in offiziellen Listen veröffentlicht und finden langsam ihren Weg in Datenbanken und Publikationen.
Persönliche Einschätzung
Für mich sind noch zwei Aspekte wichtig:
- Es gibt gar keine Sprachpolizei. Fast nichts ist „verboten“! Sag, was du willst, und nenne auch Vögel, wie du willst, aber sei dir der Wirkung deiner Worte auf deine Umwelt bewusst. Wenn du dich entscheidest, negativ besetzte Worte weiter zu verwenden, spricht das Bände.
- Niemand musst auf die Änderung des offiziellen Namens warten. Wenn ein Name negative Assoziationen hervorruft, kannst du ihn einfach nicht mehr nutzen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Stadttaube, die nach offiziellen Listen der DO-G immer noch Straßentaube heißt. Viele Vogel- und Taubenfreund*innen vermeiden inzwischen jedoch diesen alten Namen, weil er das Bild von schmutzigen Straßen und Plagegeistern fördert, und nutzen stattdessen die positivere Alternative.
Da die Gremien bisher von weißen Mä pardon: Menschen dominiert und nicht divers zusammengesetzt sind, wenn sich niemand aktiv um Diversität bemüht (wie es bei der Diskussion in den USA erfreulicherweise offenbar der Fall war), sind sie besonders fehlbar.
Ein schönes und fast schon unpolitisches Beispiele dafür im deutschsprachigen Raum sind die Blessgans und das Blesshuhn. So versäumte es die Kommission in den letzten Runden die längst überfällige Änderung der Schreibweise dieser beiden Arten offiziell anzupassen. Seit der Rechtschreibreform im letzten Jahrtausend wird die Blesse im Deutschen mit E geschrieben. Das Wort beschreibt eine helle Stelle auf der Stirn oder dem Nasenrücken. Verwirrenderweise wird das Blesshuhn und die Blessgans, die beide nach dieser weißen Stelle auf der Stirn bzw. auf dem Schnabel benannt sind, in der offiziellen ornithologischen Schreibweise weiterhin mit Ä geschrieben, als käme es von blass. Wäre ja noch schöner, wenn sich Biologen bei ihren Reformen an moderne, gültige Rechtschreibung orientieren und dazu beitragen würden, Verwirrungen zu vermeiden.
Da ich keine offizielle ornithologische Stelle bin, kann ich mich zum Glück locker über diese unlogischen Vorgaben hinwegsetzen und meinem eigenen Gewissen und den allgemeinen Regeln der deutschen Rechtschreibung folgen.
Warum Respekt auch bei Vogelnamen wichtig ist
Sprache formt, wie wir die Welt sehen – und das gilt auch für Vogelnamen. Indem wir Bezeichnungen überdenken, zeigen wir Respekt gegenüber Menschen, Kulturen und der Natur. Wir geben Vögeln die Chance, ihrem veralteten Image zu entkommen. Namen wie Pünktchenente oder Stadttaube wirken auf den ersten Blick vielleicht fremd und wie sehr kleine, unbedeutende Änderungen, aber sie setzen ein Zeichen: Wir nehmen uns die Zeit, alte, belastete Begriffe hinter uns zu lassen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Umgewöhnung von Namen und Bezeichnungen am Anfang etwas Hirnschmalz erfordert, aber mit der richtigen Einstellung sind diese Hürden schnell überwunden. Man muss auch nicht sofort alles perfekt machen, aber es ist schön, wenn man sich bemüht, niemanden (auch keine Vögel) nur aus Bequemlichkeit zu verletzen oder abzuwerten. Vogelgucken macht für alle mehr Spaß, wenn wir die Vielfalt der Vogelwelt mit Namen zu feiern, die neugierig machen und zum Beobachten einladen – ohne dass dabei jemand vor den Kopf gestoßen wird oder veraltete Sichtweisen wiederholt werden.
Wie ist das bei dir: Nutzt du schon die neuen Namen oder fällt dir das noch schwer? Schreib deine Nachricht in die Kommentare ⬇️⬇️⬇️
Liebe Silke, vielen Dank für deinen wunderbaren, informativen und kurzweiligen Artikel! Das leuchtet total ein. Beim Graureiher wusste ich es tatsächlich schon und habe auch schon Aufklärungsarbeit geleistet. 💪🏽 Und wie hübsch ist denn bitte der Name „Pünktchenente“?!?!
Liebe Grüße, Nina
Vielen Dank für die Info und die Hintergründe. Sprache macht Wirklichkeit. Deshalb finde ich die bewusste Umbenennung sinnvoll. Herzliche Grüße Petra
Vielen Dank, für mich war die Bekanntgabe der Namensänderungen der verschiedenen Vogelarten sehr interessant und die Begründungen sehr gut geschrieben und nachvollziehbar.
Ich werde sicher öfter hier reinschauen.
Herzlichst Gudrun aus dem Mohnstieg
Das freut mich sehr, liebe Gudrun! Vielen Dank für deine Nachricht. Herzliche Grüße in den Mohnstieg und bis bald – Silke
Hallo, danke für diesen neuen Blickwinkel. Ich finde es wichtig, sich über Bezeichnungen und Benennungen Gedanken zu machen und nicht einfach weiterhin alte, weiße Männer zu ehren, die es von Anfang an nicht verdient hatten. Und nicht selten sind wir emotional engagierter, wenn uns etwas niedlicher, näher oder sauberer erscheint und dann vielleicht auch bereiter, diese Wesen zu schützen. Liebe Grüße, Steffi
ich finde die Namensänderungen nach deinen sachlichen Erläuterungen total schlüssig und befürworte das auch!
Sehr gut, liebe Steffi! Herzlich willkommen bei den Moderne-Vogelnamen-Nutzenden 🙂
Liebe Steffi, das hast du perfekt ausgedrückt. Danke für deine ergänzenden Gedanken. Ich kann dir bei beiden Aspekten aus tiefstem Herzen zustimmen. Herzliche Grüße zurück – Silke