Tot wie ein Dodo: Faszination zwischen Mythos und Wissenschaft

Der Dodo ist fast schon zu geheimnisvoll und sagenumwoben ist, um wahr zu sein. Obwohl der Vogel vor über 300 Jahren vor der Ostküste Afrikas ausgerottet wurde, ist er Teil unserer Popkultur und unseres Alltags. Schon lange vor der Gans oder der Feder hatten wir ihn als Emoji in unseren Handys. Woher kommt diese Faszination ausgerechnet für den Dodo? Bei meinen Recherchen stellte ich fest: Wir wissen erstaunlich wenig über den Dodo. Und das ist wirklich spannend!

Was war der Dodo?

Der Dodo oder auch die Dronte (Raphus cucullatus) war ein flugunfähiger Vogel, der nur auf der kleinen Insel Mauritius im Indischen Ozean vorkam. Er gehörte zu den Fruchttauben, war ungefähr einen Meter groß und wog 11 bis 17 Kilo. Das ist etwa so schwer wie ein Höckerschwan, laut Augenzeugenberichten war er doppelt so groß.

Er hatte wohl ein blaugraues Gefieder mit einem gekräuselten Federbüschel als Schwanz. Sein Kopf und sein Hals waren etwas dunkler als der übrige Körper. Sein Schnabel war etwa 23 Zentimeter lang, schwärzlich, massiv und vorne gebogen. Seine Flügel waren ziemlich klein und seine Brustmuskulatur nicht sehr kräftig. Da er auf Mauritius keine natürlichen Fressfeinde hatte, hatte er sich das Fliegen abgewöhnt und die Flügel hatten sich zurückgebildet, so dass der Dodo nicht fliegen konnte.

Eine Begegnung mit fatalen Folgen

1598 geriet ein Schiff vor Mauritius in einen Sturm und einige Seeleute gingen an Land, um Wasser und Vorräte zu besorgen. Sie kamen mit einigen Dodos zurück, die wohl extrem leichte Beute für die Seeleute gewesen waren. Mauritius war zu der Zeit unbewohnt und die Dodos zeigten keine Scheu. Ein Jahr später gab es die erste Beschreibung von ihnen.

Die Dodos wurden Walchvoghel genannt, was wohl vom niederländischen Dialektausdruck für kränklich und geschmacklos kommt (walghe). Den Texten zufolge war der Dodo geschmacklich enttäuschend und musste extrem lange gekocht werden, um genießbar zu werden. Trotzdem wird in zahlreichen späteren Berichten von der Jagd auf die Vögel als Proviant berichtet. Auch die Eier wurden in Massen gegessen.

Ein Problem für den Dodo waren außerdem die Affen, Schweinen, Hunden und Katzen, die die Holländer auf die Insel brachten. Sie zerstörten die Bodennester des Dodos und fraßen seine Eier. Da der Dodo ursprünglich keine Feinde hatte, verfügte er wohl über keinerlei Flucht- oder Verteidigungsverhalten.

Um 1690, keine 100 Jahre nach seiner Entdeckung, war der Dodo ausgerottet worden. Wann genau der Dodo zum letzten Mal gesehen wurde, ist nicht sicher.

Als 1721 Mauritius von den Franzosen rekolonalisiert wurde und sie den Dodo nicht auffinden konnten, wurde er für viele zu einem Fabelwesen und geriet in Vergessenheit.

Zusammenstellung der ersten Abbildungen von Dodos, entstanden während der Reise der VOC Gelderland im Jahr 1602

Unser verschwommenes Bild des Dodos

Es ist sehr schwer, sich ein realistisches Bild des Dodos zu machen. Alles, was wir wissen, basiert auf den Erzählungen und Berichten von Seefahrern, die nicht zwangsläufig naturwissenschaftlich gebildet waren. Wir haben keine Fotos, keine Film- oder Tonaufnahmen. Bis haben noch nicht mal ein vollständig erhaltenes Dodo-Skelett. Die Dodos, die in Sammlungen liegen, sind aus Einzelknochen zusammengesetzt. Sie gehören nicht zu einem Individuum und wir wissen nicht, ob hier Jung- und Altvögel, Weibchen und Männchen gemischt wurden und ob die Proportionen überhaupt zusammenpassen.

Die meisten Zeichnungen aus der Zeit zeigen möglicherweise überfütterte Vögel aus Gefangenschaft. Da Mauritius trockene und feuchte Jahreszeiten hat, fraß der Dodo sich möglicherweise am Ende der Regenzeit Fett an, um so die Trockenperioden, in denen Nahrungsmangel herrschte, zu überdauern. In der Gefangenschaft, bei der Nahrung das ganze Jahr vorhanden war, hat sich der Dodo ständig überfuttert.

Die Zeichnungen waren die Grundlage für zahlreiche Barockgemälde, in denen der Dodo immer wieder auftauchte. Er war zu der Zeit zwar schon ausgerottet, aber so ein draller Vogel mit üppigem Puschelschwanz passte genau zum Geschmack der Zeit. Diese Darstellungen verfälschten unser heutiges Bild von ihm weiter.

Der knubbeliger, puscheliger Dodo in Begleitung von anderen Vögeln („The Dodo & Given“ von G.Edwards, 1759)

Warum erinnern wir uns heute noch an den Dodo?

Heute ist der Dodo Teil unserer Populärkultur. Es gibt sogar ein Emoji von ihm, lange bevor es eine Gans oder eine Feder gab. Was unterscheidet ihn von der Mauritius-Ralle, den Elefantenvögeln oder dem Riesenalk, die ebenfalls ausgerottet wurden, aber nicht so sehr in unserer Kultur verankert sind?

Dass die Dronte heute wieder so bekannt und populär ist, verdankt sie wohl dem britischen Autor Lewis Carroll. Er sah vermutlich den mumifizierten Dodo-Kopf im Naturkundemuseum von Oxford und setzte dem Dodo in seinem Buch „Alice im Wunderland“, das 1865 erschien, ein Denkmal. Dabei kam der Dodo nicht gut weg. Auch die Zeichnungen im Buch sind nicht sehr realistisch. Aber mit der Popularität des Buches wuchs auch die Popularität des Vogels und zementierten das trottelige Bild, das wir bis heute von ihm haben. Ein echter Imageschaden.

Auch in anderen Bücher wie der Thursday-Next-Reihe des britischen Autors Jasper Fforde wurde die Dronte verewigt.

Im Englischen gibt es den Ausdruck „dead as a dodo“. Er bedeutet, dass etwas weg, unwiederbringlich tot ist.

Fenster in der „All Saints“ Kirche in Daresbury, England, wo Lewis Carroll aufgewachsen ist. Es zeigt Figuren aus „Alice im Wunderland“.

Die Wiederauferstehung des Dodos?

Der Biologin Beth Shapiro und ihrem Team gelang es 2002, DNA-Bruchstücke des Dodos aus Knochen zu isolieren. Durch Genvergleiche wissen wir, dass er mit der Kragentaube verwandt ist.

Anfang 2023 verkündete das Unternehmen für das Beth Shapiro jetzt arbeitet, das sie den Dodo „wiederbeleben“ wollen. Das Projektteam um Shapiro verfolgt dabei den Ansatz, das Genom einer nah verwandten Spezies so abzuwandeln, dass gewissermaßen ein Dodo-Duplikat entsteht, das dann in einem Ei heranwächst.

Selbst wenn dieses Verfahren irgendwann möglich sein sollte, gibt es trotzdem keine anderen Dodos, die den genveränderten Küken das spezifische Sozialverhalten eines Dodos vermitteln könnten. Das Ergebnis wäre folglich nicht das Zurückbringen des Dodos an sich, sondern höchstens das Erschaffen eines Vogels mit Dodo-Genom.

Unklar ist auch, welche Folgen die Neuansiedlung eines solchen Vogels für das Ökosystem auf Mauritius hätte. Über 300 Jahre nach dem Verschwinden des Dodos hat sich der Lebensraum dort sehr verändert und ist es gut möglich, dass die genveränderten Tiere dort gar nicht überlebensfähig sind. Ebenso wäre es allerdings auch möglich, dass andere Tiere und Pflanzen von ihrer Anwesenheit profitieren.

Das Projekt wirft ethische Fragen auf: Sollten wir ausgestorbene Arten zurückholen oder uns lieber um den Schutz noch lebender Arten kümmern?

Die Kragentaube, eine enge Verwandte des Dodos (Foto von vinsky2002 via pixabay)

Fazit: Was wir vom Dodo lernen können

Das Aussterben des Dodos zeigt, wie schnell sich Lebensräume durch menschliches Eingreifen verändern können und wie wenig wir das wahrnehmen. Als die Seefahrer vor über 400 Jahren nach Mauritius kamen, wimmelte es auf der Insel von Dodos. Sie waren nichts Besonderes, ihre Knochen nicht konservierenswert, ihr Aussehen musste nicht dokumentiert werden. Dass sie so schnell aussterben könnten, war niemandem bewusst. Er schien im Überfluss und unendlich vorhanden zu sein. Dann war er weg.

Er erinnert uns daran, dass es keine langweiligen Arten gibt. Daran, dass wir Verantwortung für das Leben um uns übernehmen und für die Folgen unseres Handelns übernehmen müssen – bevor wir den Kipppunkt verpassen und noch mehr Leben unwiederbringlich verloren sind.

Das Headerbild stammt von bazzadarambler (CC BY 2.0) und wurde im Oxford University Museum of Natural History aufgenommen.

Das Musikstück in der Podcastfolge heißt „Dodo“ und stammt von Melodigne (via pixabay).

von | 29. Nov 2024 | Podcast, Vogelwissen

aktualisiert:
29. Nov 2024

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ist als „Wissensbuch des Jahres 2024“ nominiert.

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