Wie geht’s eigentlich dem Kiebitz? Interview mit Helgard Lemke und Louiza Krahn

Der Kiebitz war Vogel des Jahres 2024 in Deutschland, aber hat ihm das was gebracht? Wie geht es dem Kiebitz, was ist sein Problem und wie können wir ihn schützen? Das und noch viel mehr habe ich mit Louiza Krahn und Helgard Lemke besprochen. Sie arbeiten im Wiesenvogelschutz und sind echte Expertinnen für den Kiebitz.

Louiza Krahn und Helgard Lemke, Kiebitzschützerinnen

Helgard Lemke und Louiza Krahn und sind beide wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Bereich Wiesenvogelschutz. Sie arbeiten am Michael-Otto-Institut (MOIN) des NABU in Bergenhusen in Schleswig-Holstein, einem Forschungs- und Bildungszentrum für Feuchtgebiete und Vogelschutz.

Louiza Krahn machte erst ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) und studierte anschließend Naturschutz und Landschaftsplanung. Durch ihre Abschlussarbeit kam sie ans Michael-Otto-Institut. Sie schrieb über das Braunkehlchen, ebenfalls ein Wiesenvogel.

Helgard Lemke studierte Landschaftsökologie und entdeckte durch Praktika ihr Interesse an Ornithologie. Nach ihrem Studium machte sie zunächst ornithologische Kartierungen für Planungsbüros. Dann wechselte sie an das Michael-Otto-Institut, um sich direkter für den Naturschutz einzusetzen.

Bedrohungen für den Kiebitz

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Kiebitzpopulation in Deutschland dramatisch verringert. Die Hauptursache dafür ist der Verlust geeigneter Lebensräume – bedingt durch die intensive Landwirtschaft. Dadurch greifen verschiedene Faktoren ineinander:

Durch frühe Mahden und Bodenbearbeitung in der Brutzeit werden die Nester und Bruten des Kiebitzes zerstört und die noch nicht flüggen Jungvögel getötet.

Durch starke Düngung wächst die Vegetation dichter und schneller. Die bodenbrütenden Kiebitze verlieren den Überblick und finden nicht genug zu fressen.

Feuchtwiesen, offene Flächen und extensiv genutztes Grünland verschwinden zunehmend und werden durch Monokulturen ersetzt, die keinen Raum für Beikraut, Insekten und Verstecke bieten.

Der Einsatz von Pestiziden und die Monotonie der Landschaft verringern das Insektenangebot zusätzlich.

Die Fressfeinde des Kiebitzes, wie Füchse, Waschbären, Marderhunde, finden in den ausgeräumten Landschaft auch weniger zu fressen. Die Gefahr für die Kiebitze erhöht sich.

Außerdem sind auch wir Menschen in unserer Freizeit ein Problem für bodenbrütende Arten wie den Kiebitz: Wir und auch unsere freilaufenden Hunde stören die Vögel bei der Brut oder zerstören gar nebenbei ihre Gelege.

Das Ergebnis: Viel zu wenige Küken überleben.

Bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit oder um die Vögel zu retten, dürfen Louiza Krahn und Helgard Lemke die Küken auch ausnahmsweise in die Hand nehmen (Foto: Louiza Krahn)
Obwohl sie so winzig wirken, können die jungen Kiebitze schon auf eigenen Füßen herumflitzen, typisch Nestflüchter. (Foto: Louiza Krahn)

Lösungensansätze

Im Michael-Otto-Institut und an vielen anderen Stellen in Europa wird daran gearbeitet, den Kiebitz zu schützen. Die Maßnahmen umfassen:

Gelege- und Kükenschutz
Nester werden markiert, so dass bei der Mahd darauf Rücksicht genommen werden kann. Außerdem können auch Nester durch Einzäunungen gezielt vor Fressfeinden geschützt werden. Freiwillige und Mitarbeitende von Schutzprojekten begleiten Landwirt*innen bei der Mahd und halten Ausschau nach Nestern und Jungvögeln.

Öffentlichkeitsarbeit
Es ist wichtig in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Probleme der bodenbrütenden Arten zu schaffen, um den Kiebitz zu unterstützen.

Lebensraumbewahrung
Die Zusammenarbeit mit Landwirt*innen hilft, geeignete Flächen zu bewahren und Schutzzonen einzurichten.

Extensive Bewirtschaftung
Weniger Düngung und späte Mahd verbessern die Brutbedingungen für den Kiebitz.

Was wir tun können, um den Kiebitz zu schützen

Das eigentliche Problem ist ein politisches. Unser wichtigster Job, um Kiebitze und all die anderen bedrohten Vogelarten zu schützen, ist es, politisch aktiv und laut zu sein und im entscheidenden Moment das Kreuzchen an der richtigen Stelle zu setzen. Aber auch im Kleinen können wir alle helfen, den Kiebitz zu schützen:

Verhalten in der Natur
Bleibe (mit deinem Hund) auf Wegen und lass deinen Hund draußen angeleint.

Sichtungen melden
Wenn du einen Kiebitz siehst, kannst du ihn bei lokalen Naturschutzbehörden oder über Plattformen wie kiebitzschutz.de melden. Besonders in der Brutzeit kann das helfen, Gelege zu entdecken und zu schützen.

Nachhaltig konsumieren
Der Kauf von extensiv erzeugten Produkten trägt zum Erhalt wertvoller Wiesen bei. Konsumiere weniger. Pflanzliche Ernährung benötigt weniger Fläche und ist daher auch ein Beitrag zum Kiebitzschutz.

Naturschutzorganisationen stärken:
Spenden oder Mitgliedschaften bei Naturschutzorganisationen helfen direkt und vergrößern die Wirkmacht hinter diesen Verbänden. Tritt den Verbänden auch gerne auf die Füße und erinnere sie daran, dass dir Lobbyarbeit und politische Einflussnahme wichtig sind.

Politisches Engagement
Setz dich selbst für den Naturschutz ein.

Sag es weiter!
Informiere andere über die Gefahren, denen Vögel in der Agrarlandschaft ausgesetzt sind.

Als echte Watvögel haben Kiebitze gar nichts gegen nasse Füße, im Gegenteil!

Fachwörter

  • Adultvogel: Ein Adultvogel ist ein ausgewachsener, geschlechtsreifer Vogel. Er hat die Jugendmauser hinter sich und trägt oft ein anderes Gefieder als Jungvögel.
  • Blenke: Eine Blenke ist eine flache, oft sandige oder kiesige Stelle in einem Gewässer, die regelmäßig überschwemmt wird. Für viele Vogelarten, besonders für Watvögeln, sind Blenken wichtige Futter- oder Rastplätze.
  • Gelegeschutz: Beim Gelegeschutz geht es darum, die Vogelgelege, also die Eier in einem Nest, vor Gefahren wie Fressfeinden oder menschlicher Störung zu schützen.
  • Habitat: Ein Habitat ist der natürliche Lebensraum einer Tierart, in dem sie Nahrung findet, sich fortpflanzen und ungestört leben kann. Jedes Habitat bietet unterschiedliche Bedingungen. Für Vögel können zum Beispiel Wälder, Wiesen, Feuchtgebiete oder Städte Habitate sein.
  • Lebensraumaufwertung bedeutet, dass ein Gebiet so gestaltet oder verändert wird, dass es für Tiere oder Pflanzen attraktiver und besser nutzbar wird. Bei Vögeln kann das zum Beispiel durch das Pflanzen von Hecken, das Anlegen von Teichen oder das Aufstellen von Nistkästen geschehen.
  • Mortalitätsrate: Die Mortalitätsrate gibt an, wie viele Tiere einer Population in einem bestimmten Zeitraum sterben. Sie ist ein wichtiger Wert, um den Gesundheitszustand einer Population zu beurteilen.
  • Prädator: Ein Prädator ist ein Tier, das andere Tiere jagt und frisst, also ein Beutegreifer. Zu den typischen Prädatoren von Vögeln zählen Füchse, Greifvögel und Katzen.

Weitere Fachwörter findest du im Vogel-Glossar.

Links zu Folge

Podcast-Folge: Der Kiebitz, mutiger Wiesenpunker
https://vogelguckerin.de/kiebitz/

Kiebitze melden und Ansprechpartner*innen finden
https://kiebitzschutz.de

⭐ Audio-Adventskalender für Vogelfans
https://vogelguckerin.de/Adventskalender

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https://steady.de/vogelguckerin/

von | 15. Nov 2024 | Podcast, Vogelwissen

aktualisiert:
17. Nov 2024

Silke Hartmann, die Vogelguckerin

Schon als Kind interessierte sich Silke Hartmann für Vögel, aber kannte lange niemanden, der diese Begeisterung teilte. Um Gleichgesinnte zu finden, ging sie ins Internet und merkte schnell, dass es vielen Menschen so geht wie ihr früher. Deshalb gibt sie jetzt ihr Vogelwissen und ihre Begeisterung in Onlinekursen, ihrem Podcast „Vögel, aber cool!“, ihrem Blog und auf Instagram weiter. Ihr erstes Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ist als „Wissensbuch des Jahres 2024“ nominiert.

Moin, ich bin Silke,

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