Lerchen sind Frühlingsverkünderin, die schon viel länger auf diesem Planeten jubiliert als wir. Sie haben mindestens eine sehr coole Superkraft und kommen in vielen unserer Gedichte und Liedern vor.
Aber Vorsicht: Als Artbezeichnung taugt das Wort Lerche nicht. Es gibt um die 100 Lerchenarten weltweit. Wir haben bei uns in Mitteleuropa 3 Lerchenarten: die Feldlerche, die Heidelerche und die Haubenlerche. Sie sind alle Vögel des Offenlands und daher ziemlich unscheinbar.
Die Heidelerche
Die Heidelerche brütet nur selten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist die kleinste der drei Lerchenarten. Sie bevorzugt Lebensräume mit karger Vegetation und sandigen Böden. Diesen bieten ihnen vor allem die namensgebenden Heidelandschaften.
Die Haubenlerche
Noch seltener als die ohnehin schon seltene Heidelerche ist die Haubenlerche.
Sie ist die größte der drei Arten, wobei groß relativ ist, denn sie auch nur so um die 17-19 cm groß. Sie ist in ganz Westeuropa vom Aussterben bedroht. Ihr deutlichstes Erkennungsmerkmal ist die lange spitze Haube, die sie oft aufstellt.
In Deutschland wurde sie bundesweit bekannt, als im Mai 2022 die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreises für die Stadt Walldorf ein Ausgehverbot für Katzen aussprach, um drei Haubenlerchen-Brutpaare zu schützen. Mega Aktion! Kudos gehen raus an die Verantwortlichen da, weil sie das so knallhart durchgezogen haben.
Die Feldlerche
Am bekanntesten und am häufisten ist die Feldlerche. Sie ist noch immer der häufigste Vogel der offenen Landschaften in Europa. Früher war sie noch viel, viel häufiger.
Sie kommt nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz vor. Ihr Ausbreitungsgebiet reicht von Portugal bis nach Kamtschatka und Japan. Mittlerweile leben vom Menschen eingeführte Feldlerchen auch in Neuseeland und Australien.
Feldlerchen sind Vögel des Offenlands und Bodenbrüterinnen. Sie bevorzugen offene Agrarflächen, Wiesen, Heiden und eine abwechslungsreiche Vegetation.
Das Aussehen der Feldlerche: unspektakulär
Ihr Gefieder ist überwiegend braun gestrichelt. Am Bauch ist sie weiß, ganz ungestrichelt. Die Männchen haben eine Federhaube, die sie aufstellen können, oft sieht man die aber nicht. Der Schnabel ist kräftig und spitz. Sie ist 16-18 cm klein.
Alles im allen ein eher unspektakuläres Aussehen für einen Vogel. aber doch hat sie sich einen festen Platz in der menschlichen Kultur und auch in den Herzen vieler Menschen erobert. Das liegt an einem ganz gar nicht unauffälligen Merkmal: ihrem Gesang.
Der Gesang der Feldlerche: atemberaubend
Für Feldlerchen wurde das Wort „tirilieren“ wahrscheinlich erfunden. Sie steigt zum Singen in der Regel vom Boden auf und zwar bis in mehrere hundert Meter Höhe. Sie ist dann von unten häufig nur noch sehr vage zu erkennen. Aber zu überhören ist sie nicht.
Sie startet schon beim Aufsteigen mit dem Singen und singt dann fliegend minutenlang am Stück. Sie steht in der Luft und singt durchschnittlich 2 bis 5 Minuten lang nonstop, sie schafft aber auch 15 Minuten und auch schon eine halbe Stunde wurde dokumentiert. Nur so zur Erinnerung: Sie macht das am Stück, ohne Pause.
Wir können nicht singen und rennen oder singen und Treppe steigen, ohne Atempausen machen zu müssen.
Feldlerchen können nonstop singen, weil Vögel ein ganz anderes Atemsystem haben als Säugetiere. Sie atmen gewissermaßen im Kreis (hier erkläre ich es genauer). Ich habe mir das bei der Recherche für mein Buch „Die Superkräfte der Vögel“ ganz ausführlich angeschaut und war mega fasziniert!
Feldlerchen singen auch noch im Sinkflug, werden erst auf den letzten Metern über dem Boden stumm. Sie landen dann übrigens nie direkt am Nest, das wäre ja viel zu auffällig, sondern sie läuft dann bis zu 100 Meter dorthin.
Schon ab Ende Januar, Februar beginnen sie mit ihrem Gesang, und verkünden schon den Frühling, wenn uns noch ganz schön viele Frosttage davon trennen. Sie halten dann auch bist Ende Juli durch und singen meist von Morgens bis Abends. Es lohnt sich also sehr, den Gesang von Feldlerchen erkennen zu können.
Bei den Feldlerchen singen übrigens nicht nur die Männchen, sondern auch die Weibchen. Ist ja eigentlich klar, aber ich sag es noch mal sicherheitshalber dazu. Die Weibchen singen in der Regel eher am Boden und nicht ganz so laut wie die Männchen.
Die Balz der Feldlerchen: mehr als nur singen
Zur Balz gehört auch noch ein bisschen mehr, als nur der Gesang. Feldlerchen balzen auch am Boden, indem sich das Männchen vor dem Weibchen verbeugt und aufgeregt mit den Flügeln zittert und dem Schwanz wackelt.
Revierabgrenzung
Auch der Gesang dient nicht nur der Balz. Sie grenzen mit ihrem Gesang ihre Reviere ab und werden ganz schön unangenehm, wenn eine Artgenossin da mal drin vorbeischaut.
Jede Feldlerche singt anders. Reviernachbarn erkennen sich an ihren Stimmen. Lerchen leben in Revieren, die einen Durchmesser von nur 20 bis zu 200 Meter haben, je nachdem, wie viel Futter es gibt. Falls die Bedingungen stimmen, kann es auch schon mal Hundert Reviere auf einem Quadratkilometer geben.
Ich habe einen Himmel voller Feldlerchen mal auf Hiddensee gesehen bzw. gehört und war so fasziniert, dass ich einen ganzen Vormittag an dieser Wiese stand. Das ist schon ein Jahrzehnt her, aber ich erinnere mich noch gut!
Brutzeit
Das Weibchen scharrt eine tiefe Mulde in den Boden, die sie dann mit weichen Halmen und Gräsern füllt. Ab Ende März legt es dann so 2 bis 7 Eier. Der Nachwuchs schlüpft nach etwa 11 bis 12 Tagen und wird von beiden Elternvögeln gefüttert. Lerchen sind keine Nestflüchter, sie kommen nackt und blind zur Welt.
Um sich vor Bodenpredatoren zu schützen durchlaufen sie eine sehr schnelle Entwicklungsphase und verlassen bereits nach 7 bis 11 Tagen das Nest. Sie werden aber in der Nestumgebung noch eine Weile von ihren Eltern weitergefüttert.
Wird eine Brut zerstört, brütet das Weibchen direkt danach ein weiteres Mal. Feldlerchen können bis zu 6-mal im Jahr brüten, in der Regel brüten sie dreimal im Jahr.
Bedrohung durch die moderne Landwirtschaft
Es ist wichtig, dass Feldlerchen dreimal im Jahr brüten, um Verluste durch Predatoren ausgleichen zu können. Das klappt aber nicht mehr. Ihr Bestand ist in Deutschland seit den 1980ern um 50% bis 90% dramatisch zurückgegangen.
Es sind vor allem die Veränderungen in ihrem Lebensraum, die dazu geführt haben, dass Lerchen meistens nur noch einmal im Jahr brüten können.
- Der bevorzugte Anbau von Wintergetreide lässt die Halme sehr früh im Jahr sehr hoch und dicht wachsen, so dass die Lerchen keinen Platz mehr für ihre Nester finden.
- Der Rückgang von Brachflächen führt dazu, dass die Lerchen dort ihre Jungen nicht mehr groß ziehen können.
- Sie finden zu wenig Insekten.
- Auch die intensiv bewirtschafteten und gedüngten Grünflächen bieten keine Ausweichmöglichkeiten.
Die ominöse „Lerche“ in der Kultur
Dass Feldlerchen früher viel, viel häufiger waren, zeigt sich auch in unserer Kultur, denn es ist die Feldlerche, die in so vielen Gedichten und Liedern vorkommt.
Ihren bekanntesten Auftritt hat sie vielleicht in Shakespeares „Romeo und Julia“:
Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.
Julia Capulet in William Shakespeare: „Romeo und Julia“
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang;
Die Brüder Grimm haben ein ganzen Märchen nach ihr benannt, obwohl ihr Auftritt in dem Märchen übersichtlich ist: Das singende springende Löweneckerchen.
Auch in meinem Lieblingsvogellied „Die Vogelhochzeit“ gibt es eine Strophe über sie:
Die Lerche, die Lerche,
Die führt die Braut zur Kirche.Fidirallala, fidirallala,
Die Vogelhochzeit, Strophe 13
fidirallalalala.
Und falls du es stilvoller willst: Paul Gerhard verewigte sie 1653 in Strophe 3 seines 15-strophigen Ohrwurms „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“.
Die Lerche schwingt sich in die Luft
Paul Gerhard: Geh aus, mein Herz, und suche Freud, Strophe 3
Ich kenne sie noch aus einem französischen Lied, das wir früher ganz unironisch im Unterricht gesungen haben:
Alouette, gentille alouette
Französisches Volkslied
Lerche, hübsche Lerche
Und danach geht es leider gar nicht mehr so fröhlich weiter, denn es wird davon berichtet, wie die Lerche gerupft wird. Körperteil für Körperteil. Zum Schunkeln und Mitsingen.
Und den Rücken ×2
Und den Schwanz ×2
Und die Beine ×2
Und die Flügel ×2
Und den Hals ×2
Und die Augen ×2
Und den Schnabel ×2
Und den Kopf ×2
A-a-a-ah
Jahahaa, ganz wunderbar 🤮
Lerchenjagd in Europa
Noch immer werden Feldlerchen im Mittelmeerraum im großen Stil mit der Flinte geschossen, in Netzen oder auf Leimrouten gefangen, getötet und gegessen. Millionen von Vögeln. Eine Art, deren Bestände – zur Erinnerung – europaweit im freien Fall sind. Besonders unser Nachbar Frankreich ist da ganz vorne mit dabei und sucht nach immer neuen Wegen, die EU-Vogelschutzlinie zu unterwandern (auch Deutschland bekleckern sich da ja nicht grade mit Ruhm).
Auf der Webseite vom Komitee gegen den Vogelmord e.V. erfährst du mehr zum aktuellen Stand der Lerchenjagd in Europa und kannst diesen großartigen Verein unterstützen.
Auch in Deutschland wurden bis ins 19. Jahrhundert hinein Millionen von Feldlerchen als Käfigvögel gehalten und verspeist. Sie galten auch bei uns als Delikatesse. Kunststück, ist ja auch nicht viel dran an so ner Lerche!
Leipziger Lerchen
In vielen Gegenden Deutschlands war der Feldlerchenfang sehr lukrativ. Im Saale-Kreis zum Beispiel: Dort wurden allein zur Leipziger Herbstmesse über 400.000 Vögel geliefert und ähnliche Mengen nach Berlin und Hamburg exportiert. Die unter dem Qualitätsbegriff „Leipziger Lerchen“ laufenden Vögel wurden sogar bis nach Paris verschickt, jede verpackt und gebunden in ein Kistchen mit etwas Butter gelegt. Gefangen wurden die Lerchen indem sie entweder in aufgestellte Netzwände getrieben wurden oder man Nachts ein Netz über die Felder legte.
In Sachsen verbot der König bereits 1876 die Lerchenjagd und 1888 wurde die Feldlerche ganzjährig geschützt. Grund für das Umdenken war einerseits der von einigen Zoologen nachgewiesene Nutzen der Feldlerchen für die Landwirtschaft, sie futterten schließlich die ganzen Schädlinge weg, und andererseits der Protest von vielen Tierschutz-Bewegungen.
Nach dem Verbot haben die Bäckereien in Leipzig einen lerchenfreundlicheren Ersatz erfunden: ein Mürbeteigtörtchen gefüllt mit Marzipan und Marmelade statt mit Lerchen. Auf dem Törtchen erinnern zwei gekreuzte Teigstreifen noch an die Bänder, mit denen die Vögel damals gebunden waren, aber wenn ihr Leipziger Lerchen so gerne mögt wie ich, vergesst ihr dieses Detail lieber ganz schnell wieder. Das allerbeste: Mittlerweile gibt es diese Leipziger Spezialität ganz ohne Tierleid in vegan und dem Geschmack tut das natürlich null Abbruch. Dass die so lecker und gut für alle sind, hat sich in Leipzig rumgesprochen. Bei meinem Besuch neulich habe ich ernsthaft keine mehr bekommen und war fast ein bisschen empört.
Falls die entsprechende Bäckerei Lust auf eine Kooperation hat, freue ich mich sehr über eine Anfrage.
Ich war übrigens in Leipzig für meinen Vogelspaziergang mit der Klimabuchmesse. Wie großartig das war, kannst du hier nachlesen: Vogelspaziergang bei der Klimabuchmesse in Leipzig
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Bildnachweis: Das Foto im Header stammt von 12252435 via pixabay. Danke!
Wo kann ich die Lerche noch hören ? Ende der 40er und auch in den Fünfziger Jahren freute ich mich am Gesang der Lerche. Das viele Gift welches die Landwirtschaft verspritzt hat ist der Lerche Tot. Schade drum. Auch das Rebhuhn und den Fasan vermisse ich sehr. Also bitte wo kann ich Lerchen sehen und hören ?