Heute ist Internationaler Frauentag, oder wie wir ihn eigentlich nennen: feministischer Kampftag. Und deshalb wird es höchste Zeit, dass ich mich dem Thema Feminismus und Ornithologie widmen. Also watch my Sternchenbewertung und my Followerzahl drop.
Das ist übrigens kein Witz. Frauen, die sich in der Öffentlichkeit zu feministischen Themen äußern, können sich auf ganz schön was gefasst machen. Auch und grade in der heutigen Zeit. Aber wenn du mir auf Instagram folgst, weißt du wahrscheinlich schon, dass ich dazu trotzdem eine Meinung habe und sie auch äußere.
Aber heute soll es nicht um das große Ganze gehen, sondern ich drösel nur mal auf, was Feminismus mit Vogelgucken und Ornithologie zu tun hat. Und selbst dabei kratze ich nur an der Oberfläche. Wenn du mein Buch „Die Superkräfte der Vögel“ gelesen hast, hast du vielleicht schon eine Ahnung was jetzt kommt, aber ich spanne den Bogen noch weiter. Beginnen wir bei mir:
Ich gehe regelmäßig raus zum Vogelgucken. Oft habe ich auch meinen Mann dabei. Wir haben da eine klassische Arbeitsteilung: Ich gucke, mein Mann macht die Fotos. Und auch wenn wir da zusammen stehen und gucken – ich durch mein Fernglas oder durchs Spektiv, er durch seine Kamera – wird immer er von anderen Männern angesprochen, die wissen wollen, was es da zu sehen gibt. Offensichtlich wirkt er kompetenter. Meinen Mann nervt das hardcore und er antwortet ziemlich einsilbig. Es ist auch ein schönes Beispiel dafür, was wir selbst verpassen, wenn wir uns von Vorurteilen leiten lassen. Denn sind wir mal ehrlich: Die ordentlicheren Antworten würden die Männer bekommen, wenn sie mich ansprechen würden.
Ich hingegen bekomme auf Instagram von Männern regelmäßig ungefragt basic Zusatzinformationen zu Infos, die ich teile. Mansplaining nennt man das. Mann muss mich offenbar ergänzen und informieren. Auch sehr beliebt ist, dass ich ungefragt an Männer verwiesen werde, an die ich mich für weitere Infos zum Thema wenden solle. Oder mir werden Bücher zum Thema empfohlen. Dass ich diese Infos selbst haben könnte, obwohl ich nicht alles, was ich weiß, in einen einzigen Post packe, ist gar nicht im Bereich des Möglichen. Wie auch? Ich bin ja schließlich eine Frau.
Frauen wird Kompetenz abgesprochen
Leider bin ich nicht die einzige Frau, der von Anfang an weniger Kompetenz zugetraut wird. Dieses Schicksal teilen alle weiblich gelesenen Personen. 2017 kam eine Studie raus, die aufzeigte, dass im Hochschulbetrieb Dozentinnen grundsätzlich schlechter bewertet werden als Dozenten. Das lag aber nicht an ihrer mangelnden Qualifikation oder den schlechten Noten, die die Befragten erhalten hatten, oder daran, dass sie bei diesen Frauen weniger gelernt hätten. Es lag daran, dass den Dozentinnen aufgrund ihres Geschlechts weniger Kompetenz zugesprochen wurde.
Dazu sind wir alle gesellschaftlich erzogen und ich finde es mega wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind. Wir sind alle im Patriarchat, also in einer von Männern geprägten Gesellschaft aufgewachsen. Und dieser Einfluss prägt unser Weltbild. Wir können uns dem nicht entziehen. Wir haben Vorurteile und messen Frauen mit anderen Maßstäben. Wenn wir uns dessen bewusst sind, wird es leichter, den Denkfallen zu entkommen.
Dieses Kompetenzphänomen gibt es natürlich nicht nur bei Uni-Dozentinnen, sondern zum Beispiel auch
- bei Schriftstellerinnen, die von den Kritiker*innen nach wie vor viel seltener besprochen und damit sichtbar gemacht werden als Schriftsteller,
- bei Kolleginnen, die viel weniger verdienen als männliche Angestellte oder einfach nicht aufsteigen,
- bei Gesprächsrunden, in denen Argumente von Frauen erst Gehör finden, wenn ein Mann sie wiederholt hat (sogenanntes Hepeating, zusammengesetzt aus den englischen Wörtern repeating, wiederholen und he, er) oder
- wenn Frauen nachgeben, wenn Männer ihre Meinung vehement vertreten.
Letzteres liegt übrigens am Confidence Gap, also einem unterschiedlichen Selbstvertrauen, das spätestens ab der Pubertät nachgewiesen werden kann.
Frauen in der Ornithologie
Auch Wissenschaftlerinnen sind nach wie vor viel weniger sichtbar. Vor der Recherche für mein Buch hatte ich mich sogar ernsthaft gefragt, ob es tatsächlich gar keine kompetenten Ornithologinnen gibt, die irgendwas Spannendes forschen. In der einschlägigen Literatur werden schließlich meist nur Männer, und gerne auch immer wieder dieselben Männer, zitiert.
Es gibt ganze ornithologische Fachzeitschriften in deren Herausgeber- und Redaktionsgremium bis heute keine einzige Frau oder auch nur ein Mann mit nicht bio-deutschem Namen sitzt. Und das scheint ihnen nicht mal peinlich zu sein! Oder vielleicht auch einfach nicht bewusst zu sein? Wenig überraschend publizieren diese Zeitschriften dann natürlich auch hauptsächlich Artikel von (weißen) Männern.
Das liegt aber mal so gar nicht daran, dass es keine Frauen in der Ornithologie gäbe. Bei den Recherchen für mein Buch war es ganz leicht, kompetente Frauen zu finden, die in mega spannenden Bereiche forschen, oder die Expertinnen in einem Vogelthema sind und die gerne darüber sprechen. Die Liste der Frauen, die ich noch in meinem Podcast einladen will, ist noch viel länger als die der Frauen, die bereits zu Gast waren.
Es gibt sie also, die Frauen in der Ornithologie. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass sie sichtbarer werden!
Warum singende Vogelweibchen übersehen wurden
Hach, ich höre schon das Stöhnen: „Können wir den Frauenquatsch nicht einmal raushalten? Ist doch egal bei so nem naturwissenschaftlichen Thema.“ Nö, ist es nicht. Auch Wissenschaft kann nicht neutral sein, selbst wenn sich die Forschenden mega gut darum bemühen. Und gute Wissenschaftler*innen heutzutage wissen das und tun was dagegen.
Die Ornithologie war aber viel zu lange von einem westlichen, männlichen Blick geprägt. Die Forscher brachten Vorurteile und Meinungen mit, wie die Welt zu sein hatte. Dieses Weltbild sahen sie in ihrer Forschung bestätigt, weil sie es bestätigen wollten. Und diese einseitige Weltsicht hat natürlich Folgen.
Die Legende der stummen Weibchen
Nehmen wir beispielsweise den Vogelgesang. Lange waren Ornithologen davon überzeugt, dass ausschließlich Vogelmännchen singen, und zwar um Weibchen anzulocken. Wobei schon das Wort »anlocken« ein schiefes Bild erzeugt. Es suggeriert ein willenloses Weibchen, das hypnotisiert der Stimme des Männchens folgt und sich ihm willig hingibt. Auch Worte haben Wirkung und zeichnen ein Bild. Wir könnten auch sagen: Singende Vogelmännchen preisen sich mit ihrem Gesang an. Oder neutraler formuliert: Sie machen auf sich aufmerksam.
Dass ausschließlich die Vogelmännchen singen, war lange Konsens unter Ornis. Weibchen galten als das stumme Geschlecht. Singende Weibchen wurden als seltene Ausnahme abgetan, als untypische Abweichung von der Regel. Inzwischen wissen wir: Diese Annahme ist überholt! Sie hat sich nur noch nicht überall rumgesprochen, wenn man bei örtlichen Vogelwanderungen lauscht, in aktuelle Literatur schaut oder in den Frühlingswochen genauer in die Tagespresse blickt.
Wie singende Vogelweibchen sichtbar wurden
Dabei hat Katharina Riebel von der Universität Leiden gemeinsam mit anderen Forschenden aus Australien und den USA bereits vor Jahren systematisch wissenschaftliche Literatur ausgewertet und festgestellt: Singende Weibchen sind weltweit betrachtet die Regel, nicht die Ausnahme. Schon beim gemeinsamen Vorfahren aller modernen Singvögel haben beide Geschlechter gesungen. Das ist also der Urzustand.
Was ich so faszinierend an dieser Arbeit finde: Katharina Riebel und ihre Kolleg*innen haben nicht Neues erfunden, sie haben nicht alle Arten weltweit neu erforscht, sondern sie haben Berichte ausgewertet, die bereits gut sichtbar da waren. Die Beweise lagen seit Jahrzehnten auf dem Tisch, sie mussten nur mit einer neuen Frage im Kopf betrachtet werden.
Die Grundannahme der westlichen und männlichen Dominanz hatte bis dahin verhindert, dass Forschende das Offensichtliche sahen. Vielfältige Berichte aus anderen Regionen der Welt, dass auch Weibchen singen, wurden als Ausnahmen verbucht, die die Grundannahme nicht in Frage stellten.
Warum ein diverser Blick in der Wissenschaft wichtig ist
Diese Sichtweise beeinflusste auch, wie die Ornithologen früher die Vogelwelt um sich herum wahrnahmen. Bei Arten wie Rotkehlchen und Zaunkönigen sehen beide Geschlechter für uns Menschen äußerlich ziemlich gleich aus. Deshalb gingen Ornithologen offenbar davon aus, dass das Individuum, das sie da grade singen sehen oder hören, einfach ein Männchen sein muss und haben nicht weiter hingeschaut. So wurden viele singenden Weibchen auch bei uns schlichtweg übersehen.
Sobald Forschende anfingen, genauer hinzusehen, tauchten auch bei uns immer mehr von ihnen auf: auch bei Wasseramseln, Heckenbraunellen und sogar bei Blaumeisen singen die Weibchen, um ein paar Beispiele zu nennen. Wir können davon ausgehen, dass die Liste noch lange nicht vollständig ist.
Das Beispiel der ignorierten singenden Vogelweibchen zeigt eindrucksvoll, dass unser Blick auf die Welt die Fragen bestimmt, die wir stellen, und beeinflusst, wie wir die Antworten verstehen, die wir finden. Und es zeigt, wie wichtig ein diverser Blick auf die Welt ist, auch und grade in der Forschung.
Genau deshalb ist es wichtig, dass wir weibliche Stimmen und auch die Stimmen von Menschen aus anderen Kulturkreisen im Diskurs gezielt sichtbar und hörbar machen, denn von alleine klappt es nicht!
Gefahren für Frauen
Tatsache ist aber auch, dass es für Frauen viel mehr Kraft kostet, in die Öffentlichkeit zu gehen. Sobald Frauen es wagen, sichtbar zu werden, aufzumucken, laut zu sein, eine Meinung zu haben, rollt eine Welle des Hasses auf sie zu. Ihr kennt das von Kommentaren auf Social Media, wo die verbale Gewalt schnell eskaliert, aber es hat natürlich eine viel längere Tradition und bleibt nicht im Digitalen.
All dieser Hass hat nur ein Ziel: Frauen auf ihren traditionellen Platz in der Unsichtbarkeit zu verweisen. Alles soll schön so bleiben wie es ist. Und dafür werden harte Geschütze aufgefahren!
Um die Angst zu erleben, die nur Frauen erleben, muss man als Frau nicht auf Social Media oder in der Politik sichtbar werden. Man muss noch nicht mal den eigenen Partner verlassen wollen, was bei Frauen auch viel zu oft ein lebensgefährlicher Entschluss ist. Es reicht schon als weiblich gelesene Person in ein Abteil voller Fußballfans zu geraten oder an Betrunkene, durch einen einsamen Park gehen zu wollen, in ein schlecht beleuchtetes Parkhaus oder einfach nur abends im Dunkeln nach Hause.
Als Frau bekommen wir viele Tipps, wie wir uns in solchen Situationen verhalten sollen, was wir anziehen sollen und was nicht, wie wir uns schützen können. So ist das halt als Frau, kannste nix machen, musste durch. Aber diese Angst ist nicht normal! Wir haben uns nur daran gewöhnt, dass sie immer da ist, dass wir sie für normal halten.
Auch aus so sicheren Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz höre ich oft Geschichten von Frauen, die nicht alleine raus zum Vogelgucken gehen möchten. Sie fühlen sich alleine in die Natur oder einfach nur in einen Park nicht sicher.
Ein feministischer Vogel-Club
In den Vereinigten Staaten gibt es den Feminist Bird Club. Er wurde im Jahr 2016 in New York City von Molly Adams gegründet. Ziel des Clubs ist es, eine sichere Umgebung für Menschen zu schaffen, die nicht weiß und männlich sind, damit sie sich mit der Natur verbinden können. Er richtet sich an Frauen und weiblich gelesene Personen, an queere Menschen, an Schwarze, Indigene und People of Color.
Der Feminist Bird Club hat inzwischen viele Ableger außerhalb von New York, aber noch keine in Deutschland. Vielleicht hast du ja Bock, einen zu starten? Dann öffne den doch bitte auch noch explizit für Menschen mit Behinderung, danke.
Unsichtbare Vogelweibchen
Weibliche Vögel sind nicht so sichtbar wie männliche. Das zeigt sich u.a. daran, dass in Infobroschüren mindestens eines der großen Naturschutzverbände (ohne da jetzt einen von konkret in die Pfanne hauen zu wollen) Vogelmännchen als Repräsentant für die ganze Art dargestellt werden. Auch in vielen Vogelbüchern ist das der Fall.
Mit ganz viel Wohlwollen kann ich da noch unterstellen, dass die Männchen als schöner, auffälliger, interessanter wahrgenommen werden und so eher für Vögel begeistern sollen. Vogelweibchen sind so langweilig braun, sie sind so schwierig zu sehen und zu unterscheiden. Auf den zweiten Blick entpuppt sich diese Argumentation aber als Bullshit.
Männchen repräsentieren ganze Vogelarten
Vogelmännchen werden grundsätzlich öfter dargestellt als Vogelweibchen. Und ist es nicht drollig, wie wir auch bei Vögeln vom Männchen als dem Normalzustand ausgehen, wenn Weibchen und Männchen sich für uns äußerlich unterscheiden?
Ein Gimpel ist rot. Da muss man dann auch nicht Gimpelmännchen dran schreiben. Gimpel sind halt rot. Is so. Die Abweichung von diesem Normalzustand sind die Weibchen. Die sind braun. Ach, und die Jungvögel, die sehen auch anders aus als das Männchen. Da Jungvögel oft den Weibchen ähnlichsehen und die Abweichungen von der Norm somit rein quantitativ eine Mehrheit bilden, wäre es doch gar nicht abwegig, die unauffälligen, clever-getarnten Nicht-Männchen als den Normalzustand anzusehen und die farbenfrohen Männchen als Abweichung. Aber Weibchen eine Art repräsentieren zu lassen funktioniert offenbar noch nicht mal bei Vögeln.
Bei den Stockenten geht diese Abweichung vom vermeintlichen Normalzustand sogar noch einen Schritt weiter: Nicht nur in besagten Broschüren gilt der Stockentenerpel, also das Männchen, als Inbegriff der Stockente. Allerdings sehen auch Männchen nur im Prachtkleid so aus, wie wir das als Standard überall zu sehen bekommen. Im Schlichtkleid sehen die Erpel den Weibchen viel ähnlicher. Von ihrem leuchtend grünen Kopf ist dann nichts mehr zu sehen, ihr Gefieder ist ebenfalls braun. Selbst die Stockentenerpel sehen also viele Monate im Jahr nicht aus wie prototypische Stockenten angeblich aussehen. Was nützt dann also diese stereotype Darstellung für die Praxis? Ich denke, wir dürfen den Menschen da schon mehr zutrauen.
Feministischer Kampftag in der Orni-Szene
Der feministische Kampftag ist nach wie vor mega wichtig, weil es bis zur Gleichberechtigung noch immer ein weiter Weg ist! Trotzdem hast du von mir in den letzten Jahren dazu nichts gehört, weil ich bei offiziellen Feiertagen inzwischen sehr skeptisch bin. Ich will mich abgrenzen von den Vereinen, Firmen, Organisationen, Menschen, die nur einmal im Jahr die feministische Flagge hochhalten. Mir reicht das nicht. Klar, ich finde es wichtig, dass das Thema zumindest an einem Tag im Jahr Aufmerksamkeit bekommt, keine Frage. Aber mir ist es wichtig, das ganze Jahr über andere Frauen zu unterstützen, sichtbar zu machen, zu feiern, auf Missstände hinzuweisen, nicht zu schweigen.
Tag des Vogelweibchens
Im letzten Jahr haben sich auch großen Naturschutzverbände beim Thema Feminismus am Frauentag nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Ich sah den Internationalen Frauentag dadurch gewürdigt, dass Vogelweibchen im Mittelpunkt standen. Wow. Es wurde gleich mal „der Tag der Vogelweibchen“ ausgerufen.
FunFact, liebe Verbände: Den Tag der Vogelweibchen gibt’s schon. Er ist Ende Mai.
Schön eigentlich, dass jene Verbände im letzten Jahr den Missstand der unsichtbaren Weibchen erkannt hab, als der Tag der Vogelweibchen ausgerufen wurde. Die Posts seitdem weisen aber nicht darauf hin, dass diese Erkenntnis irgendeine Form von Veränderung bewirkt hat. Nach wie vor repräsentieren Männchen die ganze Art, juhu. Ich bin also versucht zu vermuten, dass man sich durch einen „Tag der Vogelweibchen“ prima davor drücken kann, auf den eigenen Laden zu schauen, indem den menschlichen Frauen auch dieser Tag der Sichtbarkeit genommen wurde. Uncool!
Frauen im Rampenlicht
Dabei ist es so leicht: In all diesen Verbänden arbeiten Frauen. Macht sie sichtbar! Zeigt ihre coolen Forschungsprojekte. Oder kehrt vor der eigenen Tür. Schaut wie unterrepräsentiert Frauen noch immer in Führungspositionen in diesen Verbänden sind, erzählt von Förderprogrammen für Frauen – oder denkt euch schleunigst welche aus. Und dann lasst eure Erkenntnisse nachhaltig sein, damit ihr im nächsten Jahr endlich Fortschritte zu berichten habt, sapperlot!
Tatsächlich wurden im letzten Jahr in der ornithologischen Szene vereinzelt auch Frauen ins Rampenlicht gerückt, die sich für Vögel einsetzen. Ein Yeah für diese Bemühungen! Die vorgestellten Frauen waren alle in afrikanischen Ländern oder Großbritannien aktiv. Das stieß mir sauer auf, weil es den Eindruck hinterließ, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es Frauen, die sich für Vögel zu engagieren, und deren Einsatz verdient hätte, gewürdigt zu werden. Da das alles Accounts von Männern waren, die in eben jenen Verbänden angestellt sind, kam bei mir der Verdacht auf, dass Frauen in der unmittelbaren Umgebung dann schon wieder Konkurrenz sein könnten, die man besser nicht unterstützt oder sichtbar macht. Alles schwierig, Leute.
Warum ist die Orni-Szene männlich?
Es gibt immer mehr Frauen, die sich im Bereich Naturschutz und Ornithologie engagieren und dort arbeiten, und das ist super! Aber die Welt der Ornis ist nach wie vor eine Männerwelt – und ziemlich elitär. Man(n) muss es sich nach wie vor auch leisten können, stundenlang nichts Produktives zu tun, Fachbücher zu kaufen und teures Equipment anzuschaffen, um mithalten zu können.
Diese Männerdominanz entstand, weil Vogelbeobachtung eine Möglichkeit für Männer war, von zu Hause zu entkommen, wenn die Kinder mal wieder genervt haben oder sonst wer Ansprüche an Care-Arbeit stellte. Stattdessen konnten sie in der Ruhe der Natur eine Runde entspannen, ohne Verantwortung zu tragen oder fürs Erfolgsgefühl etwas töten zu müssen (wobei natürlich in den letzten Jahrhunderten auch viele Vögel dem Entdeckungsdrang früher Ornis zum Opfer fielen).
Mit all dem ornithologischen Geheimwissen konnten Männer dabei unter sich bleiben, einen Insiderclub gründen. Vogelgucken kann aber auch so herrlich kompetitiv sein. Wenn man dazu Bock hat, kann man sich prima vergleichen: Wie viele Vogelarten hast du schon gesehen? Mit wie vielen Fremdworten kannst du mich einschüchtern? Wie viele lateinische Namen kannst du runterrasseln? Und vor allem: Wie groß ist dein Fernglas? Ähm tja.
Was sich ändern muss
Selbst wenn wir modernen Ornis unterstellen, dass das alles der Vergangenheit angehört und die Männergruppen ganz furchtbar offen sind für Nicht-Männer, muss noch etwas anderes in den Fokus: Männer schaffen Strukturen, in denen sich Männer wohlfühlen. Logisch. Wenn man aber Frauen in der Ornithologie fördern will, dann muss man auch die bestehenden Strukturen hinterfragen, selbst wenn’s wehtut
Mir gegenüber beklagte sich mal ein Mann, der in einer lokalen Orni-Gruppe aktiv war, darüber, dass Frauen einfach keine Ausdauer hätten und nach zwei, drei Treffen nicht wiederkämen. Daraufhin sagte ich ihm, dass ich das als Frau sehr gut verstehen könne, was ich bisher beobachtet hatte und warum ich mich in diesem Kreis auch nicht willkommen und wohl fühlte. Das wurde als Befindlichkeit abgetan. Ich solle mich mal nicht so anstellen. Tse, dabei hatte der Typ doch angefangen mit dem Jammern, dass sein Verein ausstirbt.
Ganz ehrlich: Auf solche Grabenkämpfe habe ich keinen Bock mehr. Und das müssen wir uns auch nicht mehr geben, um nicht mehr alleine zu sein. Wir müssen Gruppen, Vereine, Verbände nicht von innen heraus reformieren, wenn wir uns dazu nicht berufen fühlen. Dank Internet ist es heutzutage nicht mehr so schwer wie früher, Gleichgesinnte zu treffen.
Früher habe ich mich oft einsam gefühlt in der Welt der Ornis. Ich hab zwar Menschen oder sagen wir besser: Männer getroffen, die sich auch für Vögel interessierten und viel, viel mehr wussten als ich, aber ich passte nie rein, fühlte mich immer fremd. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass meine Art, mich für Vögel zu begeistern, anders, aber genauso wertvoll ist, wie die derjenigen, die ich kannte. Und auch das ist ein gesellschaftliches Phänomen: Frauen wird beigebracht, sich anzupassen, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, wenn sie nicht reinpassen.
Genau deshalb habe ich die Vogelguckerin gestartet, um Frauen den Zugang in die Wunderwelt der Vögel zu eröffnen, auch wenn sie in die bestehenden Strukturen nicht reinpassen. Durch eure Rückmeldungen und auch durch meine Kurse weiß ich: Wir sind nicht alleine. Wir sind so um die 50% der Bevölkerung.
Also lasst uns vernetzen, einander sichtbar machen und uns gegenseitig unterstützen. Es ist noch viel zu tun! Los geht’s!
An dieser Stelle ist es schon fast unterlassene Hilfeleistung, wenn ich dir nicht sage, dass du grade wieder bei »Endlich Vögel sehen!« einsteigen kannst, dem ultimativen Vogel-Onlinekurs, der dich in 6 Wochen zur Vogelkennerin macht und bei dem du dich mit anderen tollen vogelbegeisterten Frauen vernetzen kannst. Ich freue mich, wenn du in dieser Runde dabei bist und wir uns kennenlernen!
>>> Werde Teil von »Endlich Vögel sehen!« <<<
Noch mehr zum Thema
„The unexpected gender gaps in the science of birds.“ Mehr über Vogelweibchen noch mal zu einem späteren Zeitpunkt 😉
„Frauen Literatur: Männer, Männer und nochmals Männer“ von Tanja Reich.
Anne Wizorek. Meine Inspiration für kluge Gedanken zum Thema Feminismus seit #aufschrei.
„Warum Frauen bloggen müssen. Und was Content Ängst mit dem Patriarchat zu tun hat“. Diesen Blogpost von Judith Peters habe ich im letzten Jahr gelesen und er war einer der Auslöser für diesen Artikel. Danke für den Anstupser, Judith!
Hallo Silke,
toller Artikel und ja… es ist noch ein weiter Weg bis zu Gleichberechtigung!
Ich kann Dir allerdings eine Frage beantworten, die Du in Deinem Artikel stellst:
Du schreibst
„Bei den Stockenten geht diese Abweichung vom vermeintlichen Normalzustand sogar noch einen Schritt weiter: Nicht nur in besagten Broschüren gilt der Stockentenerpel, also das Männchen, als Inbegriff der Stockente. Allerdings sehen auch Männchen nur im Prachtkleid so aus, wie wir das als Standard überall zu sehen bekommen. Im Schlichtkleid sehen die Erpel den Weibchen viel ähnlicher. Von ihrem leuchtend grünen Kopf ist dann nichts mehr zu sehen, ihr Gefieder ist ebenfalls braun. Selbst die Stockentenerpel sehen also viele Monate im Jahr nicht aus wie prototypische Stockenten angeblich aussehen. Was nützt dann also diese stereotype Darstellung für die Praxis? Ich denke, wir dürfen den Menschen da schon mehr zutrauen.“
In unserer kapitalistischen Welt geht es fast immer nur um’s Geld. Nun gibt es viele Untersuchungen dazu und man muss nicht überrascht sein: Druckt man einmal auf die Vorderseite ein Entenmännchen, ein andermal ein Entenweibchen verkauft sich immer das „buntere“ Exemplar besser – auch wenn genau das gleiche drinsteht. Deshalb leider nein… Man kann den Menschen da nicht (viel) mehr zutrauen!
LG Hans
PS: Bin übrigens auf Deine Seite gestoßen weil ich wissen wollte, wie man schwarze Rabenvögel sicher unterscheiden kann. Danke :)) Zudem hast Du recht mit den verwirrenden Unterteilungen. Selbst wenn man sich versucht schlau zu machen, ist mir nicht wirklich klar, was letztendlich Gattungen, Familien usw. auszeichnet. Sehr verwirrend diese Taxonomien.
Danke dir, Silke, für diesen tollen Beitrag!
Ich habe mich für deine Kurse angemeldet, leider aber keine Bestätigungsmail erhalten.
Vielleicht kommt ja noch eine nach?
Beste Grüße
Moin Stefanie, danke für deine Nachricht. Die Anmeldebestätigung geht sofort automatisch raus, sobald du bezahlt hast. Wenn du z.B. Vorkasse genutzt hast, dauert es bis zu 3 Bankarbeitstage, bis das Geld angekommen ist. Sonst schau noch mal in deinem Spam-Ordner. Und wenn all das nicht hilft, schreib mir gerne eine E-Mail mit den Details an post@vogelguckerin.de und ich schaue nach, wo es klemmt.
Herzliche Grüße von der Küste
Silke
Super, das Du das Thema Feminismus und Ornithologie aufgegriffen hast, Silke! Mir ging es viele Jahre auch so, dass ich von dem vorherrschenden männlichen Ton in der Orniwelt, manchmal kombiniert mit – freundlich gesagt – Alt-Herren-Witzen, echt genervt war. Deswegen sind ja auch Deine Kurse so toll, weil man dort zusammen mit anderen Frauen etwas lernen kann!
Ich frage mich, ob es in den USA vielleicht anders war bzw. ist. Du hast ja von dem Feminist Bird Club geschrieben – eine tolle Idee! Ich bin in einem anderen Zusammenhang auf den Einfluss von Frauen in den USA gestoßen, denn ich habe gerade das Buch „Live List“ von Olivia Gentile gelesen. Es ist eine Biografie über Phoebe Snetsinger, also die Frau, die lange Zeit die Liste der gesehenen Vögel mit über 8.000 Arten anführte. In dem Buch kommen zum Beispiel „Housewife“-Birding Tours vor, die es in den 1950er Jahren gab und große Nachfrage hatten. Und es wird von den vielen Gründungen von lokalen Audubon-Gruppen Ende des 19. Jahrhunderts durch Frauen erzählt. Denn die Frauen wollten ändern, dass Vögel wegen der damals herrschenden Mode – Vogelfedern an Hüten und Kleidern – getötet wurden. Und sie hatten ja Erfolg. Auch Phoebe Snetsinger hat im Laufe ihres Vogelgucker-Lebens immer wieder Frauen getroffen, eine hat sie überhaupt mit dem Birding bekannt gemacht. Das zeigt, wie wichtig es ist, weitere Frauen für das Beobachten von Vögeln zu begeistern.
Danke Dir für einen tollen Podcast und Blog Beitrag. Mir ist dann zB auch aufgefallen, dass Natursendungen im TV ja auch eigentlich nur männlich sind. Nicht nur in der Vergangenheit, oder nehme ich das falsch wahr (Ausnahme Wissenschaftssendungen).
Jedenfalls nochmals ein großes Dankeschön und sehen wir zu, dass es besser wird, gemeinsam
Liebe Grüße und schönes Wochenende
Nina
Bei unserer Doku „Das Geheimnis der Vögel“ war es anders, aber das ist auch fast die einzige Doku, die mir da einfällt. Und du hast natürlich Recht: Die Welt erklären immer noch viel zu viele Männer, aber klar: Das ist ja auch ihr Hobby (haha). Und das fängt früh an: Sendung mit der Maus, Löwenzahn, Checker Tobi, Willi will’s wissen und wie sie alle heißen. Dann geht’s weiter mit all den Quizsendungen, bei denen nicht nur die Kandidatinnenquote unterirdisch ist, sondern auch die männlichen Quizmaster die sind, die immer die richtigen Antworten haben. Urghs. Wir arbeiten dran!
Dir auch ein schönes Wochenende, liebe Nina.
Danke, liebe Silke, dass du dieses Thema aufgegriffen hast.
Wir sind mittlerweile schon so an dieses Muster gewöhnt, dass wir erst mit der Nase draufgestoßen werden müssen, um zu erkennen. Ich hatte diesen Aha-Effekt vor ein paar Jahren, als mir eine Freundin ein Beispiel nannte: Ein Autounfall auf der Autobahn oder wo auch immer. Eine Gruppe von Menschen leisten erste Hilfe und unweigerlich wird die Frage gestellt: „Ist ein Arzt unter Ihnen?“
Arzt, nicht etwa Ärztin!
Liebe Petra, danke für deinen Kommentar. Es freut mich, wenn du was mitgenommen hast. Bis sich Entgendern in einer Notfallsituation durchgesetzt hat, dauert es wohl noch ein bisschen. Und so lange hören wir immer wieder eins meiner liebsten anti-feministischen Quatschargumente: Die Ärztinnen sind natürlich mitgemeint. Denn das Leben retten lassen sie sich auch von einer Frau, wenn’s sein muss … Ja, der Weg durch den Morast des Mitgemeintseins ist noch weit.
Super Artikel, Silke, danke dafür! Ich hatte vorhin mal wieder eine Diskussion mit einem an sich wohlmeinenden Mann, der aber einfach nicht versteht, dass es hier um ein strukturelles Problem geht. Stattdessen findet er, dass die Frauen sich doch einfach nur mehr einbringen müssten. Dann würden die Männer sie auch gern unterstützen. Ich bin dann mal wieder fassungslos bei so viel Ignoranz und weiß einfach nicht, wie ich da noch argumentieren soll … Ja, es ist noch ein langer Weg!
Ach, Mensch! Solche wohlmeinenden Männer, die gnädig bereit sind, Frauen mal ein bisschen zu unterstützen, aber dabei nicht die Machtverhältnisse hinter dieser Haltung wahrhaben wollen, liebe ich. Und bin da auch ratlos. Ich glaube inzwischen, diese Blockadehaltung gegen weibliche Argumente und Sichtweisen ist nur eine weitere Form von Nichts-Verändernwollen. Sie schieben damit uns die Verantwortung rüber und können weiter unter sich bleiben. Statt daran zu verzweifeln, konzentriere ich mich jetzt auf die ersten 5 Worte deines Kommentars und freue mich, dass ich nicht alleine gegen diese Windmühlen kämpfe. Danke für deine Nachricht!
Danke 😍
😊❤️