DER Kiebitz – gibt’s den überhaupt? Weltweit gibt es nämlich 24 Kiebitzarten. Vier von ihnen kommen in Europa vor: der Spornkiebitz, der Steppenkiebitz, der Weißschwanzkiebitz und die mit Abstand größte Population (ca. 2 Millionen Paare) bildet DER Kiebitz, unser einheimischer Kiebitz (lat. Vanellus vanellus).
Hier kannst du dir meine Podcastfolge zum Kiebitz anhören:
So erkennst du den Kiebitz
Er ist ungefähr taubengroß und sehr kontrastreich. Sein dunkles Mantelgefieder glänzt im Licht metallisch grün und violett, der Bauch ist weiß gefärbt. Durch die seitlich sitzenden Augen hat der Kiebitz beinahe einen Rundumblick, der ihm dabei hilft, Beutegreifer schneller zu entdecken. Seine markantesten Merkmale sind einerseits seine breiten, abgerundeten paddelförmigen (man könnte auch sagen brettartigen) Flügel. An denen erkennt man ihn prima im Flug. Sein Flugstil ist eher gemächlich und mit seinen breiten runden Flügeln schaufelt er sich regelrecht durch die Luft.
Und zum zweiten ist natürlich seine auffällige Federhaube auf dem Kopf ein prima Erkennungsmerkmal. Die ist lang und schmal und steigt nach schräg oben an. Sie wird auch als „Holle“ bezeichnet (Holle, nicht Tolle) und ich finde, damit sieht er immer gut gelaunt aus, der kleine Punk (vielleicht macht er aber auch einfach mir gute Laune?). Männchen und Weibchen sehen sich sehr ähnlich, beim Männchen ist die Federholle länger und das Brustband einheitlich dunkel gefärbt. Das Weibchen hat da immer so hellere Sprenkelfedern zwischen.
Der Balzruf klingt eher jodelnd und heiserer. Es gibt aber noch ein Erkennungsmerkmal, an denen du sie prima erkennst: Die Männchen vollführen während der Balz sehr auffällige Flugmanöver über ihrem Brutrevier, bei dem sie Schleifen am Himmel ziehen, fast wie Achterbahn fahren. Sie werfen sich von rechts nach links, so dass sie von unten ganz hell und von oben ganz dunkel erscheinen. Das wird auch als Gaukeln bezeichnet. Und genau so eine Flugshow habe ich neulich beobachtet. Während der Flugmanöver kann man auch ein lautes Wummern hören, das sie mit ihren breiten Flügeln erzeugen.
Angriff und Schauspielerei: besonderes Kiebitz-Verhalten
Der Kiebitz ist ein wehrhafter Kämpfer: Wenn wir Menschen oder andere Feinde uns seinem Nest zu sehr nähern, umfliegt uns der Kiebitz schrill rufend. Dabei fliegt er Eindringlinge meist von hinten an, weil das einen eindrucksvolleren Effekt hat, und fliegt sehr dicht am Kopf vorbei. Er guckt uns also quasi über die Schulter. So ein Kiebitz mit seinen 80 cm Flügelspannweite und den breiten Flügeln macht da schon Eindruck.
Wir rücksichtsvollen Vogelfans provozieren so eine Situation aber natürlich nicht, denn das stresst die Vögel, macht potenzielle Feinde auf sie aufmerksam und gefährdet die ganze Brut. Also wie immer: Abstand halten!
Neben seinen Einschüchterungsflügen gehört der Kiebitz auch zu den Vögeln, die bei Gefahr verleiten. Das bedeutet, dass Bodenfeinde durch Vortäuschen einer Verletzung vom Nest weggelockt werden. Dabei beweisen Kiebitze viel schauspielerisches Talent.
Der Kiebitz in der Sprache
Im Deutschen trägt der Kiebitz seinen Namen nach seinem auffälligen Flugruf: kie-wit, kiju-wit, chä-chuit oder wit-wit-wit-wit.
Das englische Wort für Kiebitz ist lapwing. Es kommt von leap = Sprung, Satz, hüpfen. Der Name bezieht sich auf seinen Balzflug. Im Englischen hüpft er bei diesen Manövern also von einer Seite auf die andere.
Auf die Flügelform bezieht sich sein lateinischer Name Vanellus vanellus, was „kleiner Fächer“ bedeutet.
Mit seinen Einschüchterungsflügen hat der Kiebitz auch Eingang in unsere Alltagssprachen gefunden: Jemand, der anderen beim Kartenspiel in die Karten schaut, wird im Deutschen auch als „Kiebitz“ bezeichnet. Es gibt auch das deutsche Wort „kiebitzen“. Das stammt wohl ursprünglich aus der Gaunersprache. Da heißt es „kiebitschen“ und bedeutet sowas wie untersuchen, durchsuchen. Das umgangssprachliche „kiebitzen“ wurde bei Aussprache und Bedeutung mehr an den Vogel angeglichen und bedeutet „beobachten, spähen, zusehen, jemanden über die Schulter schauen, abgucken“. Der Duden beschreibt es als „jemanden, etwas bei etwas neugierig beobachten“, also jemandem über die Schulter kiebitzen.
Im Englischen hat dem Kiebitz sein schauspielerisches Talent sogar einen eher schlechten Ruf eingebracht. Eine Gruppe von Kiebitzen wird als a deceit of lapwings bezeichnet, also als eine Täuschung, eine Hinterlistigkeit, ein Betrug von Kiebitzen. Im Englischen gibt es ja sowieso noch viel interessantere Bezeichnungen für eine Gruppen von Vögeln. Bei den Kiebitzen waren die, die sich das damals ausgedachten haben, mal wieder nicht so nett.
Ist der Kiebitz gefährdet?
Leider hat der Kiebitz einen ganzen Haufen Probleme und das nicht erst seit gestern:
Nestraub
So vor hundert Jahren waren Kiebitzeier eine Delikatesse, die es „leider“ nur sehr kurz im Jahr gab und die dann recht teuer war. Ein echtes reiche Leute Essen. Schon damals warnten Vogelfreunde vor der bevorstehenden Ausrottung, denn die Bestände des Kiebitz schrumpften. Das Eiersammeln wurde zum Glück irgendwann verboten, aber trotzdem geht es dem Kiebitz heute gar nicht gut.
Landwirtschaft
Noch vor fünfzig Jahren war er auf den Feldern ein häufiger Allerweltsvogel. Mittlerweile ist er stark gefährdet und steht somit stellvertretend für den starken Rückgang aller Wiesen- und Ackervögel, wie zum Beispiel dem Braunkehlchen oder dem Rebhuhn. Zwischen 1992 und 2016 sind die Kiebitzbestände in Deutschland um 88 Prozent zurückgegangen! Er leidet vor allem unter der Entwässerung von Wiesen und durch die frühe Mahd.
Zu Beginn der Zerstörung seines Lebensraums konnte er noch auf die feuchten Äcker ausweichen. Doch die Äcker erwiesen sich nicht als optimales Brutgebiet, da die Pflanzen ihm dort durch die starke Düngung schnell über den Kopf wachsen, was er gar nicht mag. Er bevorzugt offene Flächen mit niedriger Vegetation. Außerdem ist der Erntekalender der intensivierten Landwirtschaft nicht so wirklich mit seinem Brutgeschäft kompatibel und seine gut getarnten Nester werden untergepflügt, abgemäht und weggeerntet. Seine Nahrung besteht überwiegend aus Insekten, so dass ihm auch der Insektenrückgang auf den Feldfluren zu schaffen macht.
Vogelmord
Hinzu kommt, dass Kiebitze immer noch in vielen europäischen Ländern geschossen werden dürfen. So werden pro Jahr etwa eine halbe Million Kiebitze ganz legal erlegt. Außerdem kommen da natürlich mal wieder die illegalen und die aus-Versehen getöteten Kiebitze dazu.
Dabei könnten Kiebitze ziemlich alt werden: bis zu 24 Jahren. Sie werden damit älter als viele anderen Vögel und gehören zu den langlebigeren Arten.
Ziehen Kiebitze?
Kiebitze sind Teilzieher. Viele Tiere überwintern in Süd- und Westeuropa. Nach der Brutzeit im Spätsommer und Frühherbst schließen sie sich zu Schwärmen von bis zu mehreren hundert Tieren zusammen und ziehen umher auf der Suche nach ergiebigen Nahrungsgründen. So kommen im Winter auch häufig Tiere aus Osteuropa (also dem Baltikum oder Polen) zu uns nach Deutschland. Ihr Zugverhalten ist stark vom Wetter geprägt. Wenn Eis und Schnee liegen, weichen sie in wärmere Gegenden aus. Wenn das Wetter nicht zu fies ist, harren manche auch tapfer aus und überwintern in der Region ihrer Brutgebiete.
Brutverhalten
Kiebitze kommen zum Brüten meist an ihren eigenen Geburtsort zurück. Diese Brutflächen werden dann über Jahre immer wieder aufgesucht und benutzt. Wenn es bei dir also Kiebitze gibt, können sie dir zu vertrauten Bekannten werden. Im Brutgebiet sind sie oft mit anderen Wiesenbrütern (u.a. Uferschnepfe oder Rotschenkel) vergesellschaftet. Sie brüten oft in kleinen Gruppen von bis zu 20 Paaren. Dabei führen sie aber keine treuen oder gar monogamen Beziehungen, sondern beide Geschlechter paaren sich auch mit anderen Kiebitzen. Für den Nachwuchs ist das eigentlich eine sehr clevere Fortpflanzungsstrategie.
Kiebitze sind Bodenbrüter und wählen ihren Neststandort nach der Farbe des Untergrunds aus. Dabei wird die Farbe Braun bevorzugt. Die beige-braunen, dunkel gefleckten Eier sind auf dem bräunlichen Boden gut getarnt. Die Männchen besetzen die Brutgebiete als erste zwischen Januar und Mai. Dort legen sie Nestmulden an, indem sie ihren Oberkörper auf den Boden drücken und kreisende Bewegungen machen. Die Weibchen inspizieren dann diese Mulden auf ihre Tauglichkeit. Die Nester werden von beiden Vögeln vehement verteidigt. Greifvögel werden in der Luft angegriffen. Häufig helfen auch die Vögel der umliegenden Nester bei der Abwehr.
Verliert ein Kiebitzpaar aber doch mal seine Eier oder muss seine Brut aufgeben, siedeln sie meist innerhalb derselben Brutsaison viele Kilometer um. Das Weibchen kann bis zu zwei weitere Gelege in einer Brutsaison legen.
Kiebitz-Nachwuchs
Kiebitzeier sind verhältnismäßig groß und schwer (was sie auch so beliebt bei den Nesträubern machte (s.o.)). Obwohl Kiebitze in etwa so groß wie Stadttauben sind, sind ihre Eier mit 25 Gramm zu 17 Gramm deutlich schwerer. Der Grund dafür ist, dass Kiebitzküken Nestflüchter sind und deutlich entwickelter (mit einem vollständigen Daunenkleid) auf die Welt kommen als Taubenküken, die nackt und blind aus dem Ei schlüpfen.
Die Küken verlassen bereits nach wenigen Stunden das Nest. Sie werden aber durch die Eltern noch bis zu 5 Wochen lang gefüttert und begleitet, bis sie flügge werden. Dabei gehen Kiebitzeltern mit ihren Küken regelrecht auf Wanderschaft, durchschwimmen mit ihnen Gräben und manchmal sogar Flüsse. Und das alles hat den Zweck, nahrungsreiche Gebiete für die Küken zu finden. Flache Schlammflächen, auf denen sich viele Insekten tummeln, sind dafür besonders geeignet. Rund 60 Prozent der flüggen Jungvögel überleben ihr erstes Jahr und brüten teilweise bereits zu Beginn ihres zweiten Lebensjahres.
Und da sie ja recht alt werden können, sind das EIGENTLICH ganz gute Aussichten für den Kiebitz – wenn wir ihm nicht so penetrant die Lebensräume zerstören würden.
Gibt es bei dir in der Nähe noch Kiebitze?
Hast du Themenwünsche für meinen Podcast? Sprichst du einen coole Sprache und hast Lust, mir bei Bedarf mal ein Wort oder einen Satz einzusprechen? Welches war deine Lieblingsfolge von „Vögel, aber cool!“? Oder möchtest du mir sonst etwas zum Podcast sagen? Großartig! Denn ich freue mich, von dir zu hören:
Hey, klasse Blog. Ich hab eine Frage zum Kiebitz. Oft halten sie bei der Futtersuche inne, halten den Kopf eher fast waagrecht. Können sie so besser die Würmer im Boden hören, um sie dann herauszuziehen, im Wasser „spülen“ bevor sie den Wurm runter schlucken. Danke im voraus.