Politik und Vogelschutz: zwei Themen, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, aber untrennbar miteinander verbunden sind. Mit der Bundestagswahl vor der Tür gibt es keinen besseren Zeitpunkt, um uns bewusst zu machen, wie unsere Wahlentscheidungen die Natur beeinflussen. Denn: Unsere Stimmen machen einen Unterschied, sowohl im Wahlkampf als auch in der Natur. Und wir können damit den Vögeln helfen.
Vor kurzem habe ich auf Instagram eine Story veröffentlicht, aus der deutlich wurde, dass ich zur Demo gegen rechts gehe. Viele meiner Follower*innen fanden das gut und haben mir Herzen geschickt, aber es gab natürlich auch Nachrichten wie: „Beschränke dich gefälligst auf Vögel und werde nicht politisch!“ Das hat mich zwar nicht wirklich gewundert, aber dann doch nachdenklich gemacht:
- Es ist doch offensichtlich, dass ich eine politische Person bin. Schon allein, weil ich eine Frau bin, die sichtbar ist, und weil alles politisch ist. Außerdem bin ich Feministin, das bedeutet, dass ich für die Gleichberechtigung, Gleichwertigkeit und Teilhabe von allen Menschen bin, ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Aussehens oder ihrer Behinderung.
- Hat mich eine Frage umgetrieben: Wie kommt man auf die Idee, dass Natur- und Vogelschutz unpolitisch sein können?
Ich kann sehr gut verstehen, dass wir uns das wünschen, dass Vogelschutz nicht politisch ist, grade in Zeiten wie diesen. Wir alle haben schon genug Sorgen und Stress, da möchten wir vielleicht einfach mal schöne Fotos von süßen Blaumeisen sehen, ohne schon wieder an Politik denken zu müssen. Aber ich denke, dass wir uns diese Verbindung immer mal wieder bewusst machen müssen – und jetzt ist der perfekte Zeitpunkt dafür.
Die Wahrheit ist doch: Der Schutz unserer Vogelwelt ist immer auch eine Frage politischer Entscheidungen. Gesetze, internationale Abkommen, Naturschutzprogramme – all das wird von der Politik gestaltet. Und ja, ich finde, wir sollten das auch offen ansprechen, denn Natur braucht eine starke politische Stimme.
Politik und Vogelschutz sind untrennbar verbunden
Vögel und ihre Lebensräume hängen in vielerlei Hinsicht von politischen Entscheidungen ab. Gesetze und Verordnungen, die etwa Wälder, Moore oder Gewässer schützen, sind oft der einzige Grund, warum bestimmte Vogelarten überhaupt noch einen Lebensraum haben. Doch diese Gesetze kommen nicht von allein – sie sind das Ergebnis demokratischer, politischer Prozesse. Ohne Menschen, die wählen gehen und sich für den Naturschutz einsetzen, gäbe es diese Regelungen nicht.
Denkt zum Beispiel an die Klimakrise: Sie ist eine der größten Bedrohungen für unsere Vogelwelt. Steigende Temperaturen, die Veränderungen in der Brutzeiten, Hitzewellen, Überflutungen, zerstörte Brutgebiete und immer weniger Nahrung treffen viele Arten schwer. Und ob wir diese Krise in den Griff bekommen, hängt maßgeblich von politischen Entscheidungen ab – sowohl national als auch international.
Und auch die zweite große Bedrohung, die industriellen Landwirtschaft, ist untrennbar mit politischen Entscheidungen verwoben. Die Förderpolitik der letzten Jahrzehnte hat uns genau dorthin gebracht, wo wir jetzt stehen, und nur die Politischer Wille kann uns da wieder rausholen.
Unsere Vogelwelt ist ein Spiegel dessen, wie wir als Gesellschaft mit der Natur umgehen. Und sind wir mal ehrlich: Das lief nicht so prima in den letzten Jahrzehnten. Ohne all die vielen Schutzmaßnahmen sähe es noch finsterer aus. Eines der wichtigsten Instrumente für den direkten Vogelschutz in Europa ist die EU-Vogelschutzrichtlinie. Damit haben sich die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, die Jagd auf Vögel einzuschränken und zu kontrollieren und Vogelschutzgebiete zu etablieren, die die Lebensräume seltener oder bedrohter europäischer Vogelarten erhalten oder wiederherstellen sollen.
Durch diese Gebiete entstehen europaweit Rast- und Zufluchtsgebiete für Vögel und andere Lebewesen. Sie sorgen unter anderem dafür, dass Zugvögel wie der Kranich auf ihrem Weg durch Europa rasten und Energie auftanken können, dass sie dort sicher sind und eigentlich nicht vom Himmel geschossen werden dürfen. Ohne diese Richtlinie gäbe es viele dieser Rastgebiete nicht oder nicht mehr und damit keine Grundlage mehr für die langen Reisen der Vögel.
Aber auch darüber hinaus sind wissenschaftliche Forschung und auch Schutzmaßnahmen für Vögel von politischem Willen und auch von Finanzierung abhängig.
Warum international zu denken im Naturschutz wichtig ist
Rechte und konservative Kräfte wollen die EU-Vogelschutzrichtlinie genau wie alle anderen Naturschutzvorschriften immer wieder aufweichen. Wie wir weltweit grade eindrucksvoll beobachten können, setzen sie auf eine Wirtschaftspolitik, die mehr auf Profite von Individuen als auf Nachhaltigkeit abzielt. Das bedeutet weniger Schutzgebiete, mehr Ausbeutung der Natur und am Ende: weniger Vögel.
Vögel kennen keine Grenzen. Sie ziehen von einem Land ins andere. Doch genau das macht ihren Schutz so komplex: Was nützt es, wenn ein Land ein Schutzgebiet ausweist, während im Nachbarland Wälder gerodet oder Feuchtgebiete trockengelegt werden? Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir grenzübergreifend denken und handeln. Unsere Schutzmaßnahmen müssen also genauso international sein wie die Flugrouten der Vögel, die wir schützen wollen. Deshalb ist es so wichtig, dass Länder zusammenarbeiten und gemeinsame Lösungen finden. Politik, die international denkt und sich für globale Abkommen stark macht, ist hier der Schlüssel.
Du erinnerst dich vielleicht an das Wiederansiedlungsprojekt des Waldrapps, über das wir schon hier im Podcast gesprochen haben. Dabei werden Küken aus einem österreichischen Zoo in Deutschland und Österreich angesiedelt und mit einem Ultraleichtflugzeug über die Schweiz oder Frankreich nach Italien oder Spanien geführt.
Oder denk an die Arbeit des Komitees gegen den Vogelmord, über die ich hier vor wenigen Folgen mit einer Freiwilligen gesprochen habe. Das Komitee setzt sich europaweit dafür ein, Wilderei und illegalen Vogelfang in Europa zu stoppen und die EU-Vogelschutzgesetze eingehalten werden. Nationale Interessen und mangelnde politische Zusammenarbeit stehen ihnen dabei oft im Weg. Wenn wir mehr solche Initiativen unterstützen wollen, brauchen wir eine Politik, die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg fördert.
Viele Wiederansiedlungs- und Schutzprojekte sind international. Dabei arbeiten Forschende und Mitarbeitende aus verschiedenen Ländern zusammen, um eine Vogelart wieder stark zu machen. Genau solche Projekte zeigen, wie wichtig internationale Abkommen sind. Wer also auf Abschottung setzt, gefährdet nicht nur den Frieden, sondern auch den Naturschutz.
Wenn es um den Schutz unserer Vogelwelt geht, können wir es uns nicht leisten, nationalistisch, egoistisch oder kurzsichtig zu sein. Politische Programme, die nur auf den eigenen Vorteil ausgerichtet sind, ignorieren die Tatsache, dass wir in einer vernetzten Welt leben – eine Welt, in der wir voneinander abhängen und in der wir alle miteinander und wir alle mit der Natur verwoben sind. Wir können uns gar nicht abschotten. Wir sind auf Zusammenarbeit angewiesen.
Warum rechte Politik schlecht für den Vogelschutz ist
Konservative und rechtsradikale Kräfte stehen Naturschutz oft im Weg, weil sie meist wissenschaftliche Erkenntnisse infrage stellen oder sogar ablehnen. Die Leugnung der Klimakrise ist ein Paradebeispiel dafür: Oft leugnen Menschen dieser Parteien die Klimakrise oder ignorieren wissenschaftliche Fakten, die für den Naturschutz essenziell sind. Ohne die Anerkennung der Fakten als gemeinsame Basis können wir keine Lösungen finden – und ohne Lösungen stehen die Zeichen schlecht für die Natur und die Vogelwelt.
Klimawandel hat direkte Auswirkungen auf die Vogelwelt: Lebensräume schrumpfen, Zugzeiten verschieben sich und Nahrung wird knapp. Wenn wir die Klimakrise ignorieren, schaden wir nicht nur den Vögeln, sondern auch uns selbst. Hier zeigt sich: Wer sich für fossile Energien und gegen Klimaschutz entscheidet, stellt sich auch gegen die Natur.
Hinzu kommt, dass diese Kräfte auf Deregulierung setzen. Das bedeutet, dass Umweltstandards zugunsten kurzfristiger Profite aufgeweicht werden. Rechte Parteien propagieren außerdem häufig eine „Zurück zu den Traditionen“-Haltung. Traditionen wie die Jagd oder der Vogelfang werden gezielt gefördert, um konservative Wählergruppen anzusprechen. Auch ein flächendeckendes Zurück zur guten alten intensiven Landwirtschaft hat negative Auswirkungen auf die Natur. Selbst der konservative, akkurat gestutzte Rasen im aufgeräumten, totgespritzen Garten ist politisch, weil er die Hölle für die Natur ist.
Abschottung und rechtsradikale Politik schwächen die Zusammenarbeit zwischen Ländern, etwa in der EU. Gerade die EU ist aber der wichtigste Garant für Naturschutzmaßnahmen in Europa. Ohne sie wäre die illegale Jagd auf Zugvögel in vielen Ländern ein noch größeres Problem und viele Schutzgebiete nicht existent. Wir müssen aber international dringend zusammenarbeiten, um die großen Herausforderungen im Naturschutz zu bewältigen.
Naturschutz braucht Kooperation. Und er braucht eine Gesellschaft, die faktenbasiert entscheidet – keine Hetze, keine Spaltung. Nur eine weltoffene und menschenfreundliche Gesellschaft kann auch zu Tieren und der Natur freundlich sein. Deshalb ist es so wichtig, demokratische Kräfte zu unterstützen, die für eine offene, nachhaltige Welt stehen.
Ein positiver Blick nach vorne
All das ist nicht nur ein Problem, es ist eine Chance. Wir können so viel bewegen, wenn wir zusammenhalten. Viele Errungenschaften im Natur- und Vogelschutz zeigen, dass wir gemeinsam etwas bewegen können und dass wir die Kraft haben, etwas zu verändern.
Natur- und Klimaschutz gehen Hand in Hand mit Demokratie. Wenn wir für eine offene, vielfältige Gesellschaft eintreten, schaffen wir auch die Grundlage für einen besseren Schutz unserer Lebensgrundlagen – für uns und für die Vögel.
Ich weiß: Politik erscheint viel zu oft abstrakt und weit weg. Aber Fakt ist: Jede Entscheidung, die wir treffen, hat Auswirkungen, ob wir sie spüren oder nicht. Wenn wir uns für eine weltoffene, faktenbasierte und zukunftsorientierte Politik entscheiden, geben wir nicht nur den Menschen, sondern auch der Natur eine Chance.
Wenn wir wählen gehen, übernehmen wir Verantwortung. Wir tun es nicht nur für uns selbst, sondern auch für die, die keine Stimme haben – für die Vögel und die Natur, die auf unsere Hilfe, auf unsere Stimmen angewiesen sind.
Natur muss verteidigt werden. Die bleibt nicht einfach so.
Verena Hillgärtner
Und deshalb freue ich mich, wenn du diese Folge mit den Natur- und Vogelfans in deinem Leben teilst und alle mit zum Wählen schleppst. Unsere Demokratie und unsere Natur brauchen uns jetzt. Jede Stimme zählt!
Weiterführende Links
- „Im Naturschutz ist kein Platz für Demokratiefeinde“ Grundsatzposition des Deutschen Naturschutzrings (DNR) e.V.
- „Für ein starkes Europa!“ Postionierung des Komitees gegen den Vogelmord
- „Für Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt“ Statement gegen Rechtsextremismus des WWF
Liebe Silke,
mir hat dein Beitrag sehr gut gefallen. Ich werde ihn bei der Vorstandssitzung useres Natur- und Vogelschutzvereins zur Sprache bringen und auch an viele andere Leute weiterleiten.
Wir geben vor Ort eine digitale Dorfzeitung heraus, in der ich in Natur sowie Haus und Garten des öfteren Beiträge schreibe, die Natur und Umwelt unterstützen. Die direkte Politik lassen wir allerdings heraus, mit Ausnahme dessen, was ortsbezogen ist.
Übrigens bin ich bereits 77 Jahre alt, und die Gartenarbeit fällt mir immer schwerer. Aber auch der Natürgarten erfordert Pflege, denn nur Wald als Lebensraum ist zu wenig. Ich habe eine kleine Firma gefunden, deren Mitarbeiter den Garten in meinem Sinne pflegen. Das ist gar nicht so einfach. Die meisten GaLaBau-Firmen arbeiten nach bestimmten Vorgaben und mit viel angelerntem Personal. Die Pflege von Naturärten ist dagegen personalintensiv und braucht in der Regel gute Pflanzenkenntnisse. – Lasst uns Gärten der Vielfalt pflanzen!